Liliane Susewind – Rückt dem Wolf nicht auf den Pelz! (German Edition)
Wayomi hinterdrein. Im schnellen Trab ging es den steilen Weideweg hoch, dann erreichten sie den Wald. Dort verstellte ihnen eine rot-weiße Absperrung mit dem Schild »Zutritt verboten« den Weg.
»Die haben den Wald abgesperrt!«, stellte Jesahja überrascht fest.
»Da kommen wir drüber«, sagte Lilli entschlossen. »Oder, Merlin?«
»Kla-a-ar!«, wieherte der Schimmel, nahm Anlauf und flog im hohen Bogen über die Absperrung hinweg. »Hui-i-i!«
Wayomi scheute zwar zuerst, aber kurz darauf sprang auch sie über die Absperrung. Dann stürmten sie im Eiltempo über einen schmalen Pfad. Nach ein paar Minuten strammen Reitens hielten sie an.
»Schalte das GPS ein«, sagte Lilli, und Jesahja holte den elektronischen Navigator aus der Tasche.
»Wir müssen nach Süden«, murmelte Jesahja, während seine Nase das kleine Gerät beinahe berührte. »Hier entlang!« Er schnalzte mit der Zunge und ritt voraus. Lilli und Merlin folgten. Sie nahmen beinahe denselben Weg wie am Tag zuvor, passierten mehrere Hügelketten, einen kleinen Bach und kamen dem Camp immer näher. Lilli hoffte inständig, dass Askan sich noch in der Nähe des Ackers aufhielt. Wenn sie ihn nicht fanden, konnten sie ihn auch nicht zu den abgelegenen Wäldern bringen, in denen er sicher sein würde …
»Askan!«, begann sie nach einer Weile laut zu rufen. »Askaaan!«
Bonsai, der neben ihnen her sprintete, hob immer wieder die Nase in die Luft, aber er schien noch keine Witterung von dem Wolf zu haben.
»Suchst du deinen Fress-Mo-o-onster-Freund?«, wieherte Merlin während des Trabens. »Sind wir hier, um ihn zu besuchen?«
Bevor Lilli antworten konnte, hörte sie plötzlich eine Stimme. »Suchst du den Wolf, Mädchen?«
Lilli hielt Merlin abrupt an. Wer hatte da gesprochen?
»Hier unten!«
Lillis Blick folgte der Stimme. Am Wegesrand saß der dicke Dachs! »Ja!«, antwortete sie aufgeregt. »Wir suchen den Wolf! Hast du ihn gesehen?«
»Er war vor kurzem noch hier.«
»Da bist du ja wieder!«, quietschte das Wiesel, das nun neben dem Dachs auftauchte.
»Der Wolf ist drüben in der Felswand!«, trällerte plötzlich eine Vogelstimme. Eine kleine Blaumeise flatterte neben ihr! »Ich hab ihn gerade eben dort gesehen!«
Felswand? Waren sie dem Camp so nahe?
»Bönselchen!«, rief nun eine weitere, aufgeregte Tierstimme. »Oh! Du bist gekommen, um mich zu besuchen!«
»Fini!«, schrillte Bonsai. »Knuddelpfötchen!« Mit drei großen Sätzen war der Hund bei der kleinen Füchsin, die gerade zwischen zwei Büschen hervortrat. Voller Begeisterung warf er sie um und zwickte sie aufgedreht in die Ohren. Fini kicherte ein Fuchskichern, und es begann eine verspielte Balgerei.
»Pfft! Einfach geschmacklos …«, hörte Lilli Frau von Schmidt aus der Satteltasche grummeln.
Fini stand jedoch schnell wieder auf, schüttelte sich, als wolle sie sich konzentrieren, und sagte: »Ich kann euch zu Askan bringen. Er ist hier.«
»Ja, bitte bring uns zu ihm!«, rief Lilli. »Er ist in großer Gefahr!«
»Was? Oje.« Fini setzte sich sofort in Bewegung. »Kommt – hier entlang.«
Lilli, Frau von Schmidt, Merlin, Jesahja, Wayomi, Bonsai, die Blaumeise, der Dachs und das Wiesel folgten der kleinen Füchsin. Mit jedem Schritt gesellten sich mehr und mehr Tiere zu ihnen, denn sie alle schienen Lillis Ruf gehört zu haben. Eichhörnchen, Feldhasen, Iltisse, Igel, Mäuse, Ratten, ein Bussard, zahllose andere Vögel, ein paar Wildschweine und ein Hirsch, der ebenfalls zwischen den Bäumen hervortrat, als Lilli und die anderen vorbeistürmten – sie alle schlossen sich der kleinen Tier-Karawane an, die Lilli nun begleitete.
Lilli ritt mit entschlossener Miene auf dem großen weißen Pferd an der Spitze der Gruppe, direkt hinter Fini. Sie konnte nur an Askan denken. Gleich würden sie ihn finden. Und dann würden sie ihn von hier fortbringen, an einen sicheren Ort. Sie hatten es beinahe geschafft …
Gefährliches Zusammentreffen
Plötzlich hörte Lilli Stimmen – Männerstimmen, die aufgebracht klangen. »Halt!«, stieß sie halblaut hervor, riss den Arm nach oben und hielt ihre Tier-Karawane damit an. »Was ist das?«
Jesahja legte den Kopf auf die Seite und lauschte angestrengt. »Das klingt wie … Oleg!«
»Was?«, stieß Lilli verdattert hervor, da sah sie, dass sich hinter ein paar Bäumen irgendetwas bewegte. »Da drüben!«, flüsterte sie, stieg ab und schlich sich näher heran. Mit klopfendem Herzen spähte sie hinter einem Baum
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