Liliane Susewind – Rückt dem Wolf nicht auf den Pelz! (German Edition)
er zu.
Ein Raunen ging durch die Reihen der Polizisten, Reporter und Jäger.
»Ich hatte Angst!«, verteidigte der Polizist sich. »Das da ist schließlich ein Raubtier!«
Lilli schüttelte traurig den Kopf. »Sein Knurren hieß nichts weiter als Lass mich in Ruhe «, übersetzte sie. »Er hat geknurrt, weil Sie ihn angegriffen haben! Aber er hat Ihnen trotzdem nichts getan und ist einfach weggelaufen!«
Polizeimeister Gutmichel wirkte beschämt. »Ja … das ist richtig.«
Einen Augenblick lang herrschte betretene Stille.
Dann ergriff einer der Paparazzi das Wort. »Das Mädchen hat bewiesen, dass es mit dem Wolf sprechen kann!«, rief der Mann. »Wenn er ihr versprochen hat, keinem Menschen oder dem Vieh der Bauern etwas zu tun, dann sollten wir ihr das vielleicht einfach glauben und das Tier in Frieden lassen.«
Lilli starrte den Mann ungläubig an. Ausgerechnet ein Paparazzo ergriff Partei für sie!
Eine Reporterin, die neben ihm stand, fügte hinzu: »Ja, lasst den Wolf doch einfach in Ruhe. Unsere Wälder sind groß genug!«
Nun erhoben auch zwei andere Presseleute ihre Stimmen und forderten lautstark, dass man den Wolf gehen lassen und nicht weiter Jagd auf ihn machen sollte.
Lilli starrte die Gruppe der Journalisten mit großen Augen an. Am liebsten hätte sie diese Leute, die ihr zuvor regelrecht zuwider gewesen waren, allesamt umarmt!
»Ich finde ja auch, dass so ein Wölfchen kein bisschen stört«, mischte Kommissar Schneider sich nun ein. »Der tut doch keiner Fliege was zuleide! Das sieht man doch sofort!«, ließ er sich vernehmen und strahlte dabei in die laufenden Fernsehkameras.
Da betrat einer der Jäger den Acker und kam auf Lilli zu. »Mein Name ist Horst. Ich bin der Oberförster«, stellte er sich vor.
Lilli sah den Mann unsicher an. Von ihm hing alles ab!
Mit nachdenklichem Blick musterte der Oberförster zuerst den Wolf, dann Lilli. »Dieser Wolf ist ungefährlich?«
»Ja«, gab Lilli mit fester Stimme zur Antwort.
»In Ordnung«, sagte Herr Horst. »Dann werden wir ihn nicht mehr jagen.«
Lilli stöhnte vor Erleichterung und musste sich an Jesahja festhalten, um nicht umzufallen.
Der Oberförster betrachtete nun die Tiere, die sich wie ein Bollwerk um Lilli herum aufgestellt hatten. »Da hast du ja einen schönen Querschnitt unserer Waldtiere bei dir …« Auf seinem Gesicht zeigte sich ein kleines Lächeln. »Offenbar kannst du mit ihnen allen sprechen?«
»Ja.«
»Vielleicht kannst du uns in Zukunft ja mal im Wald aushelfen«, schlug der Oberförster vor. »Es wäre zum Beispiel schön, wenn du mal mit den Wildschweinen reden könntest. Manchmal verwüsten sie nämlich die Felder der anliegenden Bauern und machen sich über deren Ernte her.«
Lillis Herz hüpfte vor Aufregung. »Das mache ich! Ich helfe Ihnen gern!«
»Okay. Der Wolf darf in unseren Wäldern leben.« Herr Horst lächelte. »Du kannst jetzt mit ihm und den anderen Tieren gehen. Wir werden euch nicht zurückhalten.«
Lilli stieß einen erleichterten Seufzer aus. »Vorher muss ich noch etwas sagen.« Sie wandte sich an Kommissar Schneider. »Oleg und diese Männer haben uns geholfen, Midas zu entkommen«, erklärte sie. »Ohne Oleg hätten wir nicht fliehen können. Bitte bestrafen Sie ihn nicht zu hart.«
»Ach so … na ja.« Der Kommissar schmatzte. »Wenn das so ist, kommt er vielleicht nicht für sehr lange in den Knast.«
Oleg warf Lilli einen dankbaren Blick zu. Lilli lächelte ihn an. Dann sagte sie zu Jesahja und den Tieren: »Wir haben es geschafft!«
Jesahja jauchzte: »Juhu!«, und die Tiere riefen vor Freude wild fiepend, zwitschernd und wuffend durcheinander.
Askan blickte Lilli lange an. »Danke«, raunte er, und in seinen Augen lag so viel Erleichterung und Dankbarkeit, dass Lilli lächelnd die Tränen kamen.
Ein neues Zuhause
Lilli starrte gebannt auf den Bildschirm des Fernsehers.
»Da! Das ist Midas!«, rief Jesahja und sprang vor Aufregung auf.
Die Polizei hatte Midas soeben geschnappt, und das Fernsehen berichtete live über seine Verhaftung.
»Der sieht ja schnieke aus«, bemerkte Lillis Oma, die gemeinsam mit Herr und Frau Susewind neben dem Sofa stand und verfolgte, wie dem großen dicken Mann im piekfeinen Anzug Handschellen angelegt wurden.
»Irgendwie sieht er ein bisschen verrückt aus«, fand Lillis Vater. »Dieser irre Blick!«
In diesem Augenblick schrie Midas in die Kameras: »Ich wollte ein Wunder vollbringen! Ich habe nichts Schlechtes getan! Ich wollte
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