weiter.«
»Ist gut«, antwortete er ergeben und legte auf.
Diesmal hatte Franz nicht übertrieben. Obwohl ich mich entsetzlich mies dabei fühlte, hatte ich Mühe, nicht mit dem Lachen herauszuplatzen, sobald ich ihn ansah. In meiner Hilflosigkeit kugelte ich mich schließlich mit seiner Katze auf dem Boden und gab mir so alle drei Minuten einen vermeintlichen Grund, um lauthals lachen zu dürfen.
Um es kurz zu machen:
Milan hatte ihm Haare und Bart bis auf einen Millimeter kurz geschoren, er sah tatsächlich aus wie dieser Kopf aus dem Schwarzenegger-Film. Sogar dasselbe Grauen stand ihm im Gesicht.
Ich fuhr zum nächsten Friseurladen, kaufte Haarfarbe,eilte zurück zu ihm und pinselte das Elixier vorsichtig auf die Stoppeln. Nach einer Dreiviertelstunde wuschen wir es ab und stellten fest, dass er jetzt aussah wie ein schlecht zurechtgemachter Provinz-Othello. Was aber auf jeden Fall ein Fortschritt war.
»Trag heute Abend deinen Borsalino. Der sieht gut zum Anzug aus. Du bist der Regisseur, du darfst exzentrisch sein.«
»Meinst du?« Er klang düster wie ein Kirchenchor an Allerheiligen.
»Ja, meine ich. Und jetzt muss ich los. Wir sehen uns später.« Ich stieg in den Wagen und fuhr los.
Im Theater kam mir Friedmanns Sekretärin, Frau Wipperling, entgegen und rief mir aufgeregt zu, der Chef sei seit letzter Nacht im Krankenhaus – akute Blinddarmentzündung – und inzwischen schon operiert. Es ginge ihm soweit gut, mit seiner Rückkehr sei allerdings erst in drei, vier Wochen zu rechnen, wir müssten das Beste daraus machen und die Premierenrede am Abend fiele an mich.
Ich nickte mehrmals, stürzte in mein Büro und während der Rechner hochfuhr und das Telefon pausenlos klingelte, dachte ich sorgenvoll, dass sich das Sprichwort von der gelungenen Generalprobe, aber missratenen Premiere heute immer mehr zu erfüllen schien.
Gegen drei war ich mit allem fertig, die Ordnung war wiederhergestellt. Ich fuhr nach Hause und schlief eine Stunde auf der Couch. Danach duschte ich lange, schlüpfte in das neue schwarze Kleid und machte mich anschließend auf den Weg zurück ins Theater.
***
Datum: 31. Mai 2007 21.43 Uhr
Von:
[email protected] An:
[email protected] Betreff: Zurück von den Sternen
Lieber Robbie,
hier bin ich wieder und schreibe Dir. Nein, sicher nicht in seligen Fragmenten. Und ja: Ich bin zurück von den Sternen.
… Kurz nach halb sieben traf ich im ARENA ein, ein Flattern im Bauch, in der Nase den Duft von Parfum und Schminke. Franz wartete schon an der Bar im Foyer auf mich. Sein Kopf – umschattet von der breiten Krempe des Borsalino und im künstlichen Schein der Lüster – verriet nichts mehr von Milans Massaker, nur sein geschorener Bart gab seinem Gesicht eine neue Glätte. Die Miene grüblerisch verzogen, sah er eindrucksvoll und bedeutend aus. Er umarmte mich und drückte mir anschließend mein »Toi, toi, toi« in die Hand. Schon anhand der Form konnte ich sehen, dass es eine CD sein musste. Franz verschenkt immer CDs. Der Fundus in seiner Dachwohnung scheint unbegrenzt zu sein, außerdem kauft er ständig neue nach. Ich wickelte das Päckchen aus und hielt ›Die berühmtesten Walzer‹ von Tschaikowsky in Händen. Ebenfalls typisch Franz. Er verschenkt immer das, was er selbst am liebsten mag.
Ich hatte für ihn ein silbernes Herz mit einem Klangspiel im Inneren gekauft.
»Solltest du das nicht lieber für deinen neuen Galanaufheben?«, fragte er, ein maliziöses Lächeln hinter den gefärbten Bartstoppeln.
»Der hat doch schon meins.« Ich drückte ihm einen Kuss auf die Wange. »Du kannst es viel besser brauchen.«
»Na, wenn du das sagst …« Sein Lächeln wurde noch ein bisschen breiter, während er das Herz in der Hosentasche verschwinden ließ. Bei jedem seiner Schritte erklang nun ein leises, dunkles Läuten.
»Fast wie beim Almabtrieb«, sagte er.
Und ich antwortete: »Du bist ja auch ein Stier.«
»Leider nur dem Sternzeichen nach.«
»Das wird schon noch, Franz«, tröstete ich ihn. »Das wird schon noch.«
Dann verschwand ich hinter der Bühne und wünschte allen toi toi toi, spuckte über speckige, zarte, muskulöse und eine behaarte linke Schulter. Mehr gab es nicht mehr zu tun. Zu Milan, der sich an einer Ballettstange dehnte und reckte, sagte ich im Vorübergehen: »Gute Arbeit gestern Abend. Franz sieht aparter aus denn je. Hättest du demnächst auch einen Termin für mich?«
Ich wartete seine Antwort