Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Lilienrupfer

Lilienrupfer

Titel: Lilienrupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Velden
Vom Netzwerk:
am Brustansatz strich.
    Statt einer Antwort lehnte ich mich an ihn, er roch frisch und sauber.
    »Ich habe noch eine Gästedusche«, murmelte er mir ins Ohr, als ich an ihm schnupperte, sein T-Shirt am Saum fasste und half, es ihm über den Kopf zu ziehen.
    Meine Hände legten sich auf seine Schultern, und mit den Lippen berührte ich leicht die Unfallnarbe. Dann seinen Mund. Wir küssten uns ohne Atem und vorsichtig, alsgeschähe es zum ersten Mal. Mit tastenden Fingerspitzen berührten wir gegenseitig unsere Haut, verringerten den Abstand zwischen unseren Körpern so allmählich, als sei jeder Millimeter es wert, ihn auszukosten.
    Als ich irgendwann seufzte, knipste er das Licht aus, zog mich ins Bett, unter die Decke, und ich hörte ihn flüstern: »Komm her.«
    Ich rollte mich weich in seinen Arm, fühlte seinen Herzschlag hart und laut an meiner Brust.
    Und dann war er überall. Zärtlich und heftig in einem. Seine Zunge an meiner, sein Atem auf meiner Haut, seine Arme und Beine, die mich umschlangen. Das Knistern und Rascheln der Bettwäsche, sein Geruch, sein Flüstern. Überwältigend der Moment, als ich ihn zum ersten Mal in mir spürte. Mein Körper, der nachgab, behutsame Bewegungen, die sicher und entschlossener wurden. Jetzt war ich nicht mehr fremd. Jetzt war ich da, wo es richtig war. Ich wünschte mir, es würde ewig dauern.
     
    Das Arpeggio meines E-Mail -Programms holte mich in den Tag zurück. Widerwillig hob ich die Lider und tauchte unter der Decke hervor. Die Sonne schien gleißend ins Zimmer, von der Straße klang das Schubbern der Abfalltonnen auf dem Kopfsteinpflaster, gefolgt von der quietschenden Hydraulik des Müllautos und dem bellenden Rufen der Männer. Ich rieb mir die Augen, erhob mich, faltete die Decke zusammen und legte sie mit einem Seufzen zur Seite. Im selben Moment gab mein Rechner ein zweites Klingeln von sich und nun wurde ich doch neugierig.
    Die erste E-Mail war von Hannes, der mir schrieb, er habe im Internet von unserem Premierentermin erfahren und wäre gern dabei. Weil er das nicht könne (Pott undTiegelchen   …), wünsche er mir auf diesem Wege viel Glück, und ich solle mich von ihm umarmt fühlen. Ich las es, fühlte einen winzigen Schimmer von Wehmut und dachte gleichzeitig mit einem größeren Schimmer von Genugtuung »Wenn du wüsstest«. Dann öffnete ich die nächste Post und stellte fest, sie war von Till. Meine Einladung zur Premiere habe er erhalten, er freue sich sehr und ich könne mit ihm rechnen. Na, also.
    Ich warf einen Blick auf die Uhr und stellte fest, dass es höchste Zeit war, mich fertig zu machen. Mir blieb noch eine halbe Stunde. Ich fuhr mir gerade mit der Bürste durchs Haar, als das Telefon klingelte.
    Ein Keuchen und Grunzen, das so merkwürdig wie die Schnappatmung von Horst Schlämmer klang.
    »Hallo«, rief ich mehrmals.
    Darauf endlich ein kaum hörbares: »Undine?«
    »Ja«, rief ich. »Wer ist denn da?«
    »Franz. Hier ist Franz.«
    »Franz! Um Gottes willen, was ist denn los mit dir? Du klingst so komisch.«
    »Meine Haare   … Undine, du musst sofort kommen. Ich sehe aus wie dieser Kopf aus dem Schwarzenegger-Film.«
    Ich schwieg sekundenlang. Dann sagte ich sanft: »Franz, ich weiß nicht, was du meinst.«
    »Na du weißt doch, dieser bleiche, haarlose Kopf, der erst hämisch lacht und dann explodiert. Genau so sehe ich aus.«
    Ich hatte keine Ahnung, wovon er sprach. »Franz, willst du dich nicht erst einmal beruhigen? Und dann erzählst du mir alles der Reihe nach.«
    Ich hörte, wie er wieder schnappend einatmete, bevor erzu sprechen begann. Als er fertig war, wusste ich zumindest einigermaßen Bescheid.
    Franz hatte nach der Generalprobe Milan nach einem Friseur in der Nähe des Theaters gefragt, worauf Milan ihm angeboten hatte, ihm die Haare selbst zu schneiden, und dabei auf seinen eigenen edlen Kopf verwiesen. Franz war begeistert gewesen. Aber man darf Äpfel eben nicht mit Birnen vergleichen.
    »Jetzt weiß ich wieder, wie dieser Film heißt«, sagte Franz plötzlich dumpf, »›Total Recall‹. Und genau so wie dieses Ding darin sehe ich aus. Ich kann unmöglich zur Premiere kommen.«
    Ich wusste, Franz neigte zur Übertreibung. Ich hatte ihn schon öfter am Rand der Hysterie erlebt und meistens war alles halb so schlimm gewesen. Deshalb sagte ich ruhig: »Franz, du kochst dir jetzt einen Kaffee, liest die Zeitung oder siehst fern, egal was. Hauptsache, du beruhigst dich und wartest, bis ich komme. Dann sehen wir

Weitere Kostenlose Bücher