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Lilienrupfer

Lilienrupfer

Titel: Lilienrupfer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marie Velden
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tat ich dann auch.
    Danach blieb ich noch eine halbe Stunde im Wasser und starrte an die grauen Marmorfliesen. Ich konnte nicht weinen.
    Als ich eine halbe Stunde später auf der Couch lag und die Tränen plötzlich doch kommen wollten, hielt ich sie krampfhaft zurück. Ich stand auf, ging in die Küche und füllte ein Wasserglas zur Hälfte mit Metaxa, den ich in einem hinunterstürzte und trank noch ein Viertel hinterher. Betrunken legte ich mich irgendwann aufs Bett und schlief ein.
     
    Das griechische Gebräu wirkte die ganze Nacht. Als ich am Morgen aufwachte, fühlte ich mich fast erholt. Bis alles mit einem Wimpernschlag wieder da war und mich mitvoller Wucht erwischte. Und dann endlich quollen die Tränen hervor. Ich verkroch mich unter der Bettdecke und weinte schluchzend, so wie ich als kleines Mädchen geweint hatte.
    Ich weinte, weil ich nichts verstand, weil ich jäh aus einem schützenden Mantel herausgerissen worden war, an irgendeinen kahlen, lichtlosen Platz verstoßen, in ein Niemandsland, wo ich nicht sein wollte, wo alles wieder einsam und verloren war.
     
    Ich wünschte, es wäre jemand da.
    Jemand, der mir eine Antwort geben könnte.
    Auf dieses: Warum?
     
    Liebe Grüße
    Undine
    ***
    Die ersten Tage glaubte ich noch, er würde sich melden. Es konnte nicht sein, dass er es aus und vorbei sein ließ. Er würde merken, wie falsch seine Entscheidung gewesen war. Dass ich ihm fehlte und auch er nur Leere empfand.
    Jedes Telefonklingeln riss mich hoch in der Hoffnung, er könnte es sein. Wenn ich meine E-Mails abrief, meinte ich, seinen Namen im Absenderfeld aufleuchten zu sehen.
    Im Büro verrichtete ich meine Arbeit schleppend und lustlos, nicht einmal die euphorischen Kritiken holten mich aus meinem inneren Keller. Auf Franz brauchte ich nicht zu zählen, denn er war einem neuen Projekt entgegengereist und wollte danach irgendwo ein paar Tage ausspannen.
    Wenn ich abends nicht auf der Couch lag, um in eines der Kissen zu grübeln, saß ich vor dem PC und sah mir bei You Tube Videos von Mireille Mathieu an. Sie war die Stimme meines Lebens, ich liebte sie seit ich vier war. Ihr deutsches Repertoire lag mir nicht, aber ich war stumm vor Andacht, wenn sie französisch sang. Für ein paar Augenblicke konnte ich alles vergessen. O ja, ich war einem gewissen »jimwittoh« aus Middletown, Ohio, der diese alten Aufnahmen ins Netz gestellt hatte, sehr dankbar. Er war in dieser Zeit an vielen Abenden mein Retter.
    Sobald der Rechner abgeschaltet war, rotierten meine Gedanken weiter um Christian. Ich suchte nach Antworten und fand neue Fragen.
    Ich wollte nicht glauben, dass ich mich in allem getäuscht hatte. Nicht ein einziges Mal waren mir Zweifel an seiner Zuneigung gekommen. Die Frage, ob er ebenso empfand wie ich, hatte sich nie gestellt. Ich war mir sicher gewesen – weshalb sollte ich meiner Wahrnehmung plötzlich misstrauen?
    Ich versuchte fair zu bleiben, wollte nicht rachsüchtig und kleinlich sein, wollte nicht mein Gesicht vor mir selbst verlieren. Aber was sonst als Rachsucht und Kleinmut wäre es gewesen, hätte ich Christian, jetzt da er mich verlassen hatte, plötzlich in einem giftigen Licht gesehen, wo er mir vorher so strahlend erschienen war? Doch wer war ich, um immer fair zu sein, eine Heldin und durch und durch gut? Veronika Ferres?
    Ich war unglücklich und haderte mit so vielen Fragen. Deshalb ließ ich jeden Gedanken, den ich mir an jenem Abend, als Christian von Isolde und Susanne erzählte, zu denken verboten hatte, jetzt zu.
    Mir fiel wieder ein, dass ich ihn damals als Routinierempfunden hatte. Als jemanden, der grausam sein konnte, wenn es um seinen Vorteil ging. Ich erinnerte mich, wie ich plötzlich meinen Vater vor mir gesehen hatte, kopfschüttelnd, das Gesicht abweisend und streng, und wie ich ihn sagen hörte: »Kein Charakter.«
    Und natürlich erinnerte ich mich daran, wie bestürzt ich gewesen war, als Christian mir gestanden hatte, er habe es nicht ausgehalten, Susanne so zu lieben.
    Klingt nicht gut, hatte ich in diesem Augenblick gedacht. Ein Jo-Jo-Mann. Mal oben, mal unten. Nie ausgeglichen. Einer, der dich je nach Stimmung an sich zieht und wieder von sich stößt.
    Ich sah alles sehr klar. Und trotzdem wünschte ich mir, er käme zurück.
    ***
    Datum: 14.   Juni 2007 23.11   Uhr
    Von: [email protected]
    An: [email protected]
    Betreff: Stau im Kopf
     
     
    Lieber Robbie,
     
    weshalb nur wirke ich so anziehend auf jene Art Mann wie Christian? Ich bin ja

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