Lilientraeume
Stoff herumlaufen? Ich jedenfalls nicht«, stellte Avery kopfschüttelnd fest.
Hope sah forschend in den Rückspiegel. »Hab ich da irgendwas verpasst? In Bezug auf dich und Hochzeitskleider?«
»Himmel, nein! Das war bloß eine sehr allgemeine Feststellung.« Avery nahm Clare das iPhone ab, betrachtete das Kleid ein letztes Mal und scrollte weiter. »Außerdem ist es nicht ungewöhnlich, sich vorzustellen, wie man selbst in einem solchen Kleid aussähe.«
»Aber zwischen euch läuft alles gut.« Clare drehte sich zu Avery herum.
»Sehr gut sogar. Trotz unserer vielen Arbeit schaffen wir es immerhin, gelegentlich gemeinsam auszugehen. In ein Restaurant oder eine Bar oder ins Kino. Ist doch was, oder? Außerdem probier ich an Owen Rezepte fürs MacT’s aus – er ist ein hervorragender Testesser.«
»Und was ist mit deinem Herzflattern? Spürst du’s noch, oder hat es sich gelegt?«, erkundigte sich Hope.
»O nein, überhaupt nicht. Eher verstärkt es sich. Außerdem ist ein leichtes Ziehen in der Magengegend hinzugekommen. Nicht unangenehm, doch irritierend.«
»Kommt mir bekannt vor.« Clare sah sie lächelnd an.
»Es ist nicht wie bei dir und Beckett.«
»Woher willst du das wissen?«
»Weil bei mir und Owen eben alles anders ist. Ach, ich weiß nicht. Ist auch egal, denn heute geh t ’s nur um dich.«
In diesem Moment lenkte Hope das Auto in eine Parklücke. »Das nenn ich ein gutes Omen, denn der Laden liegt gleich gegenüber.«
»Seht euch dieses Kleid an!« Clare blieb bewundernd vor dem Schaufenster stehen und deutete auf ein schulterfreies, weich fallendes Cocktailkleid aus schimmernder Seide. »Es ist ein Traum, wenngleich vielleicht eine Spur zu elegant. Und dann sieht es natürlich sehr nach erster Hochzeit aus. Diese Boutique ist sicher nicht das Richtige für mich. Denn schließlich will ich nicht …«
»Vertrau mir«, meinte Hope, während Avery die zaudernde Clare bereits zur Eingangstür zerrte. »Du schaust dich auf jeden Fall dort um – und ich bin ebenfalls neugierig, was es da so gibt.«
Es war überwältigend. Der Schimmer und der Glanz der überwiegend weiß- und cremefarbenen Roben, die Schleier und Schleppen aus Tüll und kostbaren Spitzen, die aufwendigen Perlenstickereien ließen den drei Freundinnen die Augen übergehen.
Und sie hatten ihren Spaß, denn Avery, bekleidet mit Jeans und Stiefeln, stülpte sich unbekümmert einen Schleier auf den Kopf und nahm eine feierliche Haltung ein. Bis sie unbändig zu lachen begann, weil es ihr vorkam, als sei soeben ein Vulkan auf ihrem Kopf ausgebrochen und habe Tüll gespuckt.
Clare schaute derweil die Reihen der Kostüme durch. Sie schrak zusammen, als Avery ihr auf die Finger schlug. »Du trägst ganz sicher kein Kostüm – und mag es noch so schick sein. Das ist was für Brautmütter. Schließlich soll man sehen, dass du die Braut und damit der Mittelpunkt des Festes bist.«
»Aber …«
»Avery hat vollkommen recht. Die Dinger sind viel zu gediegen für eine hübsche, junge Braut«, erklärte Hope mit zweifelsfreier Endgültigkeit. »Also lass sie hängen, ja?«
»Ich will trotzdem etwas möglichst Schlichtes. Nichts Prätentiöses und Überladenes«, warf Clare ein.
»Okay, dann suchen wir eben etwas in der Art. Schließlich bist du die Braut und entscheidest.«
»Dann …«
»Kein Kostüm, auf keinen Fall«, riefen die beiden anderen wie aus einem Mund.
»Das grüne da gefällt mir wirklich gut.«
»Es ist schön, ohne Frage.« Hope nickte zustimmend. »Genau das Richtige, wenn du zu einer Hochzeit, einer Teegesellschaft oder einer Spendengala eingeladen bist. Doch nicht für deine eigene Hochzeit.« Sie und Avery nahmen die Freundin in die Mitte und zogen sie weiter durch den Raum.
»Vielleicht sollten wir zuerst nach Kleidern für euch schauen«, schlug Clare vor. »Vielleicht erhalte ich dadurch ja Anregungen.«
»Wieder ganz falsch«, fuhr Avery sie an. »Unsere Kleider werden an das der Braut angepasst und nicht umgekehrt.« Sie hatte immer noch den Schleier auf dem Kopf und bot einen denkbar komischen Anblick.
Der Rest allerdings gestaltete sich mühsam. Clare tat alle Vorschläge ab: zu weiß, zu überladen oder zu discomäßig .
»O nein, kein Rosa.«
»Das ist nicht wirklich rosa«, klärte Avery sie auf. »Nur ein zart rosiger Hauch, ganz dezent. Würde dir hervorragend stehen. Und sieh nur, wie toll der Rock geschnitten ist.«
»Das Kleid ist wirklich hübsch.« Hope spitzte die Lippen und unterzog
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