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Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck

Titel: Lilli Steinbeck Bd. 1 - Die feine Nase der Lilli Steinbeck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich Steinfest
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Mann mit Beziehungen.«
    Antigonis mischte sich ein: »Von Suez stammen wunderbare Porträts. Kennen Sie das von Matisse, wo er im Stuhl sitzt und dreinschaut, als wollte er einen fressen? Genial. Suez hat alle fotografiert. Den kleinen Arbeiter, den Papst, Grace Kelly, das Baby vor einer Packung Windeln.«
    »Nicht nur alle«, sagte Lilli, »auch alles.«
    »Ja, wahrscheinlich«, antwortete Antigonis. Er kniff die Augen zusammen, als störe ihn ein Luftzug. »Ein Chronist des Lebens kann nicht einen Teil dieses Lebens aussparen.«
    »Suez behauptet, immer nur im Auftrag zu fotografieren.«
    »Das würde ich ihm nicht glauben«, äußerte Antigonis. »Er ist ein Schlitzohr. Er wird uns alle überleben.«
    »Ja, das Gefühl habe ich auch«, sagte Lilli und sprach Kallimachos darauf an, daß sich sehr frühe Fotografien unter den Folterbildern befänden.
    »Dieses Studio gibt es so lange, wie es die Fotografie gibt«, erklärte der Detektiv. »Die Fotografie ist ein Ungeheuer. Suez ist der Wärter dieses Ungeheuers. Ein Ungeheuer, das manchmal lügt, manchmal die Wahrheit sagt.«
    »Woran erkennt man, wenn dieses Ungeheuer lügt?« fragte Lilli.
    »Es zwinkert«, sagte Kallimachos. »Ich meine das auch so. Man kann das gut bei Zeitungsfotos erkennen – sie zwinkern alle, sie lachen uns aus, sie geben sich frech zu erkennen. Die Fotos in meiner Wohnung aber … die zwinkern nicht. Da gibt es nichts zu zwinkern.«
    »Sie haben gefoltert, Kallimachos, nicht wahr?« fragte Lilli. »Bevor Sie ein Opfer waren, waren Sie ein Täter.«
    »Nein, da irren Sie sich.«
    Lilli glaubte ihm nicht. Sie ahnte, daß in diesem sonderbar unangreifbaren Mann auch die Geschichte eines Schlächters steckte. Das mochte weit zurückliegen. Aber Lilli spürte es. Sie betrachtete den Detektiv, wobei sie ein Auge schloß, als schaue sie durch ein Mikroskop. Oder ein Teleskop. Dann schloß sie auch das zweite Auge. Sie konzentrierte sich. Und zwar derart, daß sie beinahe eingenickt wäre.
    Es war Zoe Antigonis, die sie praktisch am Einschlafen hinderte, indem sie nach Lillis Hand griff und fragte: »Wäre das jetzt erledigt? Sie beide sollten nämlich zusammenhalten. Ein Detektiv und eine Polizistin. Das ist eine gute Kombination. Wie ein Gärtner und ein Architekt. Jedenfalls sehr viel besser als diese ganzen Eliteeinheiten, die wir seit Ewigkeiten ins Gefecht schicken. Soldaten, auf die man sich nicht verlassen kann. Soldaten kennen das Land nicht, für das sie kämpfen. Und erst recht nicht das Land, in dem sie kämpfen. – Also, Frau Steinbeck, Sie und Kallimachos sind ein Team. Ist das in Ordnung so?«
    »Ja«, antwortete Lilli in einem Ton, als wähnte sie sich in ihrer Verschlafenheit bereits vor dem Altar.
    Andererseits geht einem gerade während des Heiratens die eine oder andere Frage durch den Kopf. Eine solche Frage ließ Lilli aus ihrem Dämmerzustand hochfahren. Ihr fiel wieder ein, welch merkwürdige Bedingung Kallimachos gestellt hatte, als er in ihre Dienste eingetreten war. Daß sie nämlich wegschauen müsse, wenn er sie einmal darum bitten würde.
    »Wie ist das eigentlich?« wandte sich Lilli erneut an Kallimachos, wobei sie sich weit nach vorn beugte, praktisch über die eigenen verschränkten Beine wie über ein geschwungenes Geländer. »Ich dachte, Sie hätten etwas Bestimmtes vor, etwas Ungesetzliches, das ich dann ignorieren sollte.«
    »So war das nicht gemeint«, sagte Kallimachos und drehte an einer kleinen silbernen Figur, die monokelartig von einer Kette an seinem Revers hing. »Ich hatte nichts Bestimmtes vor. Ich wollte mich nur absichern, falls ich einmal in die Verlegenheit gerate, etwas zu tun, was eine Polizistin nicht gutheißen kann. Zum Beispiel Herrn Desprez töten, anstatt ihn festzunehmen. Ich hätte Henri Desprez mit Genuß erledigt. Aber ich bin natürlich viel zu langsam für diese Welt. Bevor ich einen Desprez erwische, ist das Meer leergefischt. Keine Chance für mich. Allerdings wäre mir sehr recht, wenn unsere Vereinbarung weiterhin bestehen könnte. Man weiß ja nie, ob einem nicht doch einmal was vor die Füße springt.«
    »Na, es gibt Fälle, da würde ich sogar offenen Auges meinen Segen geben«, meinte Lilli eingedenk der Folterbilder. Während sie sprach, bemerkte sie das kleine Silberstück, das Kallimachos selbstvergessen zwischen seinen fleischigen Fingern hielt. Sie zeigte drauf und frage: »Was ist das für ein Ding?«
    »Ein Fisch. Ein Quastenflosser«, erklärte der Detektiv.

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