Limit
Sie tun müssen.«
Shaw schwieg.
Zwei Räume weiter wählte Norrington mit zitternden Fingern eine Nummer auf seinem Handy.
Er hatte Fehler gemacht. Unbesonnen reagiert. Die Schlinge zog sich zu, denn sie würden Beweise finden, und wenn es erst mal so weit war, dass sie ihn in die Mangel nahmen, würde er sich im Dickicht seiner überreizten Nerven verheddern und pausenlos reden. Er war ein Idiot, sich auf die Sache überhaupt eingelassen zu haben, vom Tag an, da sie ihm Geld geboten hatten, damit er Thorn für eine zweite Mission vorschlug, doch es war so viel, so ungeheuer viel Geld gewesen, und so viel mehr stand zu erwarten, wenn die Operation Berge des ewigen Lichts erst vollzogen und die Welt auf einen neuen Kurs gebracht wäre. Gelehrig in seiner Korrumpierbarkeit, war er schließlich in Hydras Planungsstab aufgestiegen, hatte das vielköpfige Ungeheuer mit Detailwissen über die OSS, über das Gaia und die Peary-Basis versorgt und sogar das dunkle Netzwerk ersonnen, in dem die Brandsatzgedanken der Verschwörer, getarnt als Weißes Rauschen, lichtschnell um den Erdball rasten. Hatte Hydras unsterbliches Haupt kennengelernt, die Intelligenz hinter allem, um deren Identität nur sechs weitere Menschen wussten. Sieben waren es gewesen, doch einer hatte kalte Füße bekommen. Bei der Gelegenheit hatte Norrington gelernt, dass die Hydra ihre Köpfe nötigenfalls selber abschlug, sobald einer Tendenzen zur Geschwätzigkeit erkennen ließ.
Er durfte dem Geheimdienst nicht in die Hände fallen.
Xin meldete sich.
»Wir fliegen auf, Kenny! Wie ich's prophezeit habe.«
»Und ich habe gesagt, behalten Sie die Nerven.«
»Sie können mich mal mit Ihrer Klugscheißerei! Der MI6 hat Gabriel enttarnt. Jericho und das Mädchen sind in meine Daten eingebrochen. Ich weiß nicht, wann Shaw anrücken wird, um mich in die Zange zu nehmen, möglich, dass ich jetzt schon nicht mehr aus dem Gebäude komme. Holen Sie mich hier raus.«
Xin schwieg einen Moment.
»Was ist mit Ebola?«, fragte er. »Wissen die auch über sie Bescheid?«
Norrington zögerte. Aus irgendwelchen Gründen konnte er sich einfach nicht an Lawrences Decknamen gewöhnen.
»Sie wissen nichts von ihr, und alles Weitere auch nicht. Nur von der Bombe am Peary. Aber natürlich werden sie sich demnächst auf meine Daten stürzen und meine Gutachten mit ganz anderen Augen lesen.«
»Sind Sie sicher, dass Jericho mit Shaw über Sie gesprochen hat?«
»Keine Ahnung«, stöhnte er. »Ich hoffe, noch nicht. Unter den gegebenen Umständen ist gar nichts sicher.«
Xin überlegte.
»Gut. Ich bin in fünf Minuten auf dem Flugdeck. Vielleicht sollten Sie versuchen, Jerichos Computer aus dem Gebäude zu schaffen.«
»Vielleicht sollten wir versuchen, den Mond gelb anzustreichen und ein lustiges Gesicht darauf zu malen«, explodierte Norrington. »Die dürfen mich nicht in die Finger bekommen, kapieren Sie das nicht, Kenny? Ich muss hier raus!«
»Schon gut, schon gut.« Unversehens wechselte Xins Stimme ins Weiche, Schlangenhafte. »Niemand wird Sie in die Finger bekommen, Andrew. Ich habe versprochen, zur Stelle zu sein, und ich halte meine Versprechen.«
»Beeilen Sie sich, verdammt!«
Während Londons Lichter in der Aureole einer makellosen Morgendämmerung vergingen, beschloss Yoyo, Jericho ein weiteres Mal anzurufen. Sie und Diane waren mittlerweile dicke Freundinnen geworden. Nie zuvor hatte sie mit derart exzellenten Such- und Selektierprogrammen gearbeitet.
»Ich habe Neuigkeiten«, sagte sie. »Wo bist du?«
»In Jennifers Büro. Wir können offen sprechen. Warte mal.« Er lauschte einer leisen Stimme und sagte: »Am besten rufst du noch mal an, direkt auf ihrer Leitung, okay?«
»Du kannst ihr ja schon mal sagen –«
»Sag's ihr selber.«
Er legte auf. Yoyo zappelte unruhig auf ihrem Sitz herum. Wie sehr es sie drängte, ihnen von den Dossiers zu erzählen, die Norrington über die Gäste und das Personal des Gaia angelegt hatte. Im Schnelldurchgang hatte Diane die Recherchen des Sicherheitschefs mit den öffentlich erhältlichen Biografien aus dem Netz verglichen und keine relevanten Abweichungen gefunden, bis auf den Umstand vielleicht, dass Evelyn Chambers höllisch flunkerte, sobald es um ihr Alter ging. Was die Bediensteten des Gaia betraf, zwei Deutsche, eine Inderin und ein Japaner, waren sie von einer gewissen Dana Lawrence eingestellt worden, der Hoteldirektorin, die den Zuschlag ihrerseits aufgrund einer Expertise Norringtons
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