Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hundert Jahre Zaertlichkeit
Vom Netzwerk:
ankämpfen, sich umzudrehen und zurück in das
schützende Haus zu laufen.
    Vera kam zu
ihr, mit fließenden braunen Haaren und Sommersprossen, und musterte sie kurz. »Du
siehst nicht wie eine Hexe aus«, bemerkte sie mit schöner Offenheit.
    »Soll das
heißen, daß man mich nicht auf dem Scheiterhaufen verbrennen wird?« flüsterte Elisabeth
Jonathan zu, der verhalten lachte.
    »Sie ist
keine Hexe«, sagte Trista, die Hände in die Seiten gestemmt. »Elisabeth ist
meine Freundin.«
    Jonathan
stellte den Picknickkorb ab und breitete die Decke aus, während Elisabeth mit
verkrampftem Lächeln die Leute von Pine River betrachtete.
    Nach einer
Weile kam eine der Frauen in Kattun zu ihr, erwiderte ihr Lächeln und streckte
ihr die Hand hin. »Ich bin Clara Piedmont, Veras Mutter.«
    »Lizzie
McCartney«, stellte Jonathan vor, nachdem Trista und Vera zu den anderen
Kindern gelaufen waren. »Die Schwester meiner Frau.«
    »Freut mich«,
sagte Clara, während Elisabeth ein Schauer über den Rücken lief. Solange sie
lebte, was möglicherweise nicht mehr allzulange war, würde sie sich nicht daran
gewöhnen, Lizzie genannt zu werden.
    Sie fühlte
sich jedoch ermutigt und murmelte eine höfliche Antwort.
    »Bleiben
Sie in Pine River?« fragte Clara.
    »Ich ...
habe mich noch nicht entschieden«, antwortete sie lahm.
    Claras
Lächeln war warm und offen. Sie tätschelte freundlich Elisabeths Arm. »Also,
kommen Sie irgendwann diese Woche zum Tee. Trista wird Ihnen zeigen, wo wir
wohnen.« Sie wandte sich an Jonathan. »Kann Trista heute nacht bei uns bleiben?
Vera liegt mir schon den ganzen Tag in den Ohren.«
    »Das wäre
schön«, meinte er.
    Elisabeths
Vorfreude war so heftig, daß sie sie vom Boden hochzuheben und herumzuwirbeln
drohte.
    Im Verlauf
des Nachmittags gelang es ihr, sich unter die anderen Frauen zu mischen, und
nach dem Essen posierten
alle für den Fotografen der Stadt mit der Holzbrücke im Hintergrund. Während
später die Jungen im Fluß fischten, wateten die Mädchen ins Wasser und
verscheuchten absichtlich die Forellen. Die Männer pafften ihre Zigarren und
warfen Hufeisen, und die Damen tratschten.
    Als gegen
Sonnenuntergang die Leute ihre Kinder, die Decken und die Picknickkörbe
einsammelten, hämmerten die Hufe eines Pferdes über die Brücke. Der Reiter
hielt auf der Straße oberhalb des Flußufers und rief: »Ist Doc Fortner hier?
Ein Mann in der Sägemühle ist schwer verletzt!«
    Jonathan
winkte dem Reiter zu. »Ich hole meine Tasche und bin in zehn Minuten da!« Nach
einem Blick zu Elisabeth verschwand er im Obstgarten und lief zum Haus.
    Elisabeth
sammelte die Sachen ein und fühlte sich nun viel weniger als Teil der Gemeinschaft,
da Jonathan fort war. Sie war gerührt, als Trista sich verabschieden kam, bevor
sie mit Veras Familie wegfuhr. »Ich sehe dich morgen in der Kirche«, versprach
sie. »Könnte ich bitte einen Kuß haben?«
    Lächelnd
beugte Elisabeth sich herunter und küßte die verklebte, von der Sonne warme
Wange des Kindes. »Sicher kannst du einen haben.« Sie war sich schmerzlich
bewußt, wie kurz ihre Zeit mit diesem Kind sein konnte. »Ich liebe dich,
Trista.«
    Trista
umarmte sie spontan und kletterte dann mit Vera in den Wagen der Piedmonts. Mit
dem wesentlich. leichter gewordenen Picknickkorb und der Decke ging Elisabeth
zum Haus.
    In der
Küche brannte eine Lampe und vertrieb das Zwielicht, aber Jonathan war
natürlich schon zur Sägemühle gefahren. Elisabeth erschauerte, als sie sich
vorstellte, welcher Horror ihn dort erwarten mochte.
    Sie machte
Feuer im Herd, setzte den Teekessel auf, füllte den Heißwasserbehälter und
legte Holz nach.
    Jonathans
Kleider waren mit Blut befleckt, als er fast zwei Stunden später heimkam, und
seine grauen Augen flackerten. »Ich konnte ihn nicht retten«, murmelte er, als
sie seine Tasche wegstellte und ihm aus dem Rock half. »Er hatte Frau und vier
Kinder.«
    Sie stellte
sich auf die Zehen und gab ihm einen Kuß auf die Wange. »Es tut mir so leid«,
sagte sie sanft. Sie hatte bereits die längliche Zinkbadewanne in der Mitte des
Küchenbodens aufgestellt und Seife und zwei dünne, rauhe Handtücher gefunden.
Während Jonathan zusah, füllte sie die Wanne mit Wasser aus dem Behälter und
aus mehreren Kesseln auf dem Herd. »Zieh dich aus, Jon«, drängte sie ruhig, als
er nicht reagierte. »Ich hole dir etwas zu trinken, während du ins Wasser
steigst.«
    Er knöpfte
das Hemd mit den langsamen, geistesabwesenden Bewegungen eines

Weitere Kostenlose Bücher