Linda Lael Miller
unmanierlich oder so, und aß mit
Appetit, was sie ihm vorsetzte, aber er redete fast die ganze Zeit mit Mr.
Kipps über Politik – als hätte er vergessen, daß er heute geheiratet und nun
eine Frau hatte.
Doch
nachdem das Geschirr abgeräumt war, zog Mr. Kipps eine Mundharmonika aus seiner
Rocktasche und begann ein munteres Lied zu spielen, und Will nahm Bess in die
Arme und tanzte mit ihr durch die Hütte, bis Bess ganz atemlos vor Lachen war
und so schwach, daß sie sich an ihn lehnen mußte.
Und da
räusperte Mr. Kipps sich, wünschte ihnen eine gute Nacht und verließ die Hütte.
Den Hund nahm er mit, da sein Maultier als Gesellschaft ihm offenbar nicht zu
genügen schien.
Will stützte
Bess und schob sie ein wenig von sich ab, nahm aber seine Hände nicht von ihren
Schultern. Darm, während der Feuerschein dunkle Schatten auf seine Züge warf,
schaute er ihr lange, lange in die Augen.
Bess dachte
schon, daß er sie jetzt küssen würde, und wollte auch, daß er es tat, aber da
trat er zurück.
»Ich komme
wieder, wenn du eingeschlafen bist«, meinte er kühl. Obwohl er eben noch
gelacht und getanzt hatte, schien ihm nun jegliches Gefühl der Freude abhanden
gekommen zu sein. »Möchtest du, daß ich dich nach draußen begleite, für den
Fall, daß dort wieder irgendein Indianer lauert?«
Bess wollte
etwas ganz anderes. Sie hatte gehofft, daß Will sich zu ihr legen, sie in die
Arme nehmen und ihr helfen würde, sich an seine Nähe zu gewöhnen, doch natürlich
war sie viel zu stolz, um irgend etwas davon zu erwähnen. Und obwohl sie sich
noch genauso vor der Dunkelheit fürchtete wie in der Nacht zuvor, erlaubte sie
sich nicht die Bitte, Will möge doch mit ihr hinausgehen.
Sie
schüttelte den Kopf. »Ich komme schon zurecht.«
Dann ging
sie, und als sie zurückkehrte, sah sie das Licht einer Laterne in der
Finsternis und hörte das Klingen von Metall an Stein. Was in aller Welt tat
Will hier draußen? Bess unterdrückte ihre Neugier und das eigenartige Gefühl
der Enttäuschung, das sie erfaßte, und ging zur Hütte weiter. Dort blies sie
die Lampe aus, tauschte ihre Kleider gegen ein Nachthemd, wusch ihr Gesicht und
reinigte ihre Zähne, bevor sie an ihren Truhen und Koffern vorbei zum Bett
hinüberging.
Sie hatte
damit gerechnet, sofort einzuschlafen, da es ein langer, ereignisreicher Tag
gewesen war, doch statt dessen lag sie hellwach in der Finsternis, lauschte auf
die eigenartigen Geräusche aus dem Wald und fragte sich, was sie bedeuten
mochten. Ünd was alles nur noch schlimmer machte, war, daß sie sich
unerträglich einsam fühlte in der Hütte – und vor allem in dem breiten Bett.
Als sie es
nicht mehr aushielt, stand Bess auf, zog ihre Schuhe an, ohne sich damit
aufzuhalten, sie zuzuknöpfen, und
schlüpfte in einen Morgenmantel. Dann, nachdem sie rasch ihr Haar zu einem
dicken Zopf geflochten hatte, zündete sie eine Laterne an und ging hinaus, um
Will zu suchen.
Mr. Kipps
lagerte, wo er gesagt hatte, am Üfer des Bachs, und hatte ein Feuer angezündet,
um sich aufzuwärmen. Er lehnte an seinem Sattel und spielte ein sehnsüchtiges
Lied auf seiner Mundharmonika, und Bess hoffte, daß er zu sehr in seine eigenen
Gedanken versunken war, um zu bemerken, daß sie die Hütte verlassen hatte.
Eine
Zeitlang, die ihr wie eine kleine Ewigkeit erschien, folgte Bess dem
Lichtstrahl in den Wald. Zweige zerrten an ihrem Morgenrock und an ihrem Haar,
und mehr als einmal zuckte sie vor Schreck zusammen, wenn irgendein
eigenartiges Geräusch aus dem Dickicht ertönte. Als sie den Ort erreichte, wo
Wills Laterne brannte, befand sie sich in ziemlich aufgebrachter Stimmung.
Er hielt
sich in einer Art Höhle auf, und im Lichtschein seiner und ihrer eigenen
Laterne erkannte Bess, daß ihr Mann mit einer Spitzhacke auf eine Wand aus
solidem Stein einschlug. Sein Oberkörper war nackt und glänzte vor Schweiß.
»Was, um
Himmels willen, tust du hier?« fragte Bess in scharfem Ton. Ihre Geduld wurde
heute abend auf eine harte Probe gestellt, und sie brachte es nicht über sich,
einen etwas freundlicheren Ton anzuschlagen, obwohl es sicher klüger gewesen
wäre.
Will ließ
die Hacke sinken und wischte mit einem seiner schmutzigen Arme den Schweiß von
seiner Stirn. »Das gleiche könnte ich dich auch fragen«, entgegnete er ohne
Groll. »Warst du es nicht, die gestern abend Angst hatte, allein zum Klosett
hinauszugehen?«
Bess
stampfte mit dem Fuß auf, und die Laterne schwankte bedrohlich in ihrer
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