Linda Lael Miller
mit einem Lächeln auf, die Braut zu
küssen.
Das tat
Will, und nun war nichts mehr von der Scheu zu spüren, mit der er Bess
betrachtet hatte, als er in die Hütte gekommen war und sie in ihrem
Hochzeitskleid gesehen hatte. Nein, Will küßte Bess mit der gleichen ungestümen
Leidenschaft wie vorhin auf dem Feld, und sie glaubte, sterben zu müssen vor
Sehnsucht und Verlangen, als er sie endlich wieder freigab.
»Ich werde
hier draußen neben dem Bach kampieren«, sagte Mr. Kipps, nachdem er den beiden
jungen Menschen gratuliert hatte. »Mein alter Maulesel und ich, wir schlafen
am liebsten unter Gottes hellen Sternen.«
Bess war
schon im Begriff, den alten Mann einzuladen, auf dem Bärenfell vor dem Kamin zu
schlafen, aber Will hinderte sie daran, indem er sie sanft, aber entschieden in
den Po kniff.
»Ich habe
es mir nicht anders überlegt, Will«, sagte sie einige Minuten später ärgerlich,
als sie in der Hütte waren und die Tür hinter sich geschlossen hatten. »Wir
werden diese Ehe nicht sofort vollziehen, und deshalb besteht kein Grund,
diesen armen alten Mann draußen im Freien übernachten zu lassen!«
»Der arme
alte Mann ist zäher als Stiefelleder und boshafter als Geronimo, und außerdem
schläft er nie unter irgendeinem Dach, bevor der erste Schnee gefallen
ist«, erwiderte Will genauso aufgebracht. »Im übrigen will ich in meiner
Hochzeitsnacht mit meiner Frau allein sein, Mrs. Tate, ob sie mir nun erlaubt,
sie zu berühren, oder nicht. Denn alles andere wäre ausgesprochen peinlich und
beschämend!«
Bess hielt
es für an der Zeit, das Thema zu wechseln. Außerdem war der Brotteig, den sie
am Morgen geknetet hatte, bereit, um in den Ofen geschoben zu werden, das
Abendessen mußte zubereitet werden, und Will hatte draußen noch einiges zu
erledigen, bevor es dunkel wurde. »Wenn du so freundlich wärst, hinauszugehen«,
sagte sie, sich brüsk abwendend, »dann könnte ich mich jetzt umziehen.«
Sie hörte,
wie die Tür sich öffnete und schloß, und war froh, wieder allein zu sein. Den
Hochzeitsmarsch summend und glücklicher, als sie sich selbst gegenüber eingestand,
löste Bess die winzigen Perlenknöpfe am Vorderteil ihres Kleids und stieg
vorsichtig heraus. Dann streifte sie auch ihre weiten Ünterröcke ab, und als
sie nur noch ihre Ünterwäsche trug, hob sie beide Hände, um die Nadeln in ihrem
Haar zu lösen.
Als sie
sich schließlich wieder zum Bett umwandte, stieß sie einen Schrei aus und
bedeckte unwillkürlich mit beiden Armen ihre Brust, weil Will dort stand und
ihr mit dem breitesten Grinsen, das sie je bei einem Mann gesehen hatte,
zuschaute.
lm nächsten
Augenblick jedoch schon wurde er wieder ernst, und eine tiefe Zärtlichkeit
erschien in seinem Blick.
»Willkommen
zu Hause, Mrs. Tate«, sagte er. »Ich habe lange Zeit auf dich gewartet.«
Mit diesen
Worten wandte er sich von ihr ab, zog sein gutes weißes Hemd aus und hängte es
auf einen Bügel. Die ausgeprägten Muskeln seines Rückens zeichneten sich
deutlich unter seiner sonnengebräunten Haut ab, und Bess verspürte plötzlich
ein überwältigendes Bedürfnis, seine Schulterblätter zu berühren und die Kerbe
dazwischen zu küssen.
»Woher
hattest du den Ehering?« fragte sie, weil sie irgend
etwas sagen mußte und nicht wagte, in diesem kritischen Augenblick ein anderes
Thema anzuschneiden. »Gehörte er deiner Mutter?«
Will hatte
sein Arbeitshemd angezogen und drehte sich zu seiner Braut um, während er es
zuknöpfte. »Und vor ihr gehörte er ihrer Mutter«, erzählte er.
Wieder war
Bess gerührt. Jackson Reese hätte ihr einen diamantbesetzten Ring geschenkt,
der das Vielfache des schlichten Goldreifs gekostet hätte, den ihr
frischgebackener Ehemann ihr über den Finger gestreift hatte, doch kein
Geschenk hätte für sie kostbarer als das von Will sein können.
Fast hätte
sie gesagt, sie liebte ihn, aber da begann der Hund zu bellen, Mr. Kipps
Maulesel wieherte, und die Gelegenheit war vorbei. Will ging hinaus, einen
unterdrückten Fluch murmelnd, und Bess zog hastig das Kleid über, das sie
früher an diesem Tag getragen hatte.
Bei
Einbruch der Abenddämmerung kamen Mr. Kipps und Will zum Essen, gefolgt von
Calvin, dem großen, gelben Hund, und Bess servierte ihnen stolz eine leckere
Mahlzeit aus aufgewärmtem Hühnerfleisch mit Sauce, Erbsen und frischgebackenem
Brot.
Wenn sie
ganz aufrichtig zu sich war, ärgerte es sie ein wenig, wie Will sich an diesem
Abend bei Tisch verhielt. Er war zwar nicht
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