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Linda Lael Miller

Linda Lael Miller

Titel: Linda Lael Miller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Denn dein Herz kennt den Weg
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Buchhalter ihrer Arbeit nachgingen.
    Henry
Renford, der seit John Bradgates Tod die Geschäfte leitete, kam sofort aus
seinem eigenen Büro herüber und
zupfte in einer gereizten Geste an seinem kostspieligen
grünen Samtwams. Es war offensichtlich, daß er über diese Unterbrechung wütend
war. Er war ein schlanker Mann
mit hervorstehenden Augen und fettigem braunem Haar. Sein Blick glitt prüfend
über Melissande, um dann mit zunehmendem Entsetzen auf den unergründlichen
Gesichtszügen von Christian Lithwell zu verweilen.
    »Nun«,
sagte er, und dieses einzige Wort hallte durch den Raum wie das Läuten von
Begräbnisglocken. Nachdem er sich
einmal umständlich geräuspert hatte, nickte er Melissande knapp zu.
»Demoiselle.« Ein weiteres Nicken für Christian. »Mylord.«
    Melissande
fühlte, wie Christian sich unruhig neben ihr bewegte. Spürte er genau wie sie,
daß der Geschäftsführer ihres
verstorbenen Vaters nicht nur verärgert, sondern auch erschrocken über ihr
unvermutetes Erscheinen war? Sicherlich hatte Renford von den Plänen ihres
Vaters, Christian
zu beseitigen, gewußt – falls eine solche Verschwörung tatsächlich
stattgefunden hatte.
    »Mylady«,
sagte Christian in einem Ton, der zuckersüß und zugleich grimmig war, während
er eine kleine Verbeugung in ihre Richtung machte, um anzudeuten, daß
Melissande das Reden übernehmen würde.
    Sie war
sehr aufgeregt, aber die Macht ihrer Überzeugungen verlieh ihr die nötige
Kraft, um ihr Vorhaben auszuführen. Errötend schluckte sie, verschränkte die
Arme über der Brust, wie sie es bei der Äbtissin in schwierigen Situationen oft
gesehen hatte, und schob das Kinn vor. »Eure Dienste werden ab heute nicht mehr
benötigt«, teilte sie Renford unumwunden mit. »Ich beabsichtige, die Firma
selbst zu leiten.«
    Ein
beunruhigtes Tuscheln ging durch die Reihen der Angestellten.
    Der kleine
Mann, der vielleicht eine gute Figur abgegeben hätte, wenn nicht sein
umfangreicher Bauch gewesen wäre, gab ein Geräusch von sich, das wie ein
Schnüffeln und gleichzeitig wie ein Schnauben klang. »Ich bitte um Verzeihung?«
sagte er, doch der Glanz in seinen scharfen Vogelaugen verriet Melissande, daß
er sehr gut verstanden hatte.
    »Ihr werdet
Eure Sachen packen und dieses Gebäude verlassen, noch bevor das Geschäft heute
nachmittag geschlossen wird«, sagte sie, zuversichtlicher, als sie vielleicht
gewesen wäre, wenn Christian sie nicht begleitet hätte. »Ich habe keine
Verwendung mehr für Euch.«
    Das
Tuscheln wich einem bestürzten Schweigen, das durch den großen, kalten Raum
hallte. Die Angestellten beugten ihre Köpfe über Schriftstücke und Stapel goldener
Münzen und wagten nicht, aufzuschauen, obwohl sie jedes Wort, das zwischen
Melissande und Renford gesprochen wurde, klar und deutlich hören konnten. Und
sich vermutlich fragten, ob auch sie mit ihrer Entlassung rechnen mußten.
    »Das ist
eine Unverschämtheit«, sagte Renford kalt, »die ich nicht dulden werde. Euer
verehrter Vater hat mir die Leitung
dieses Unternehmens anvertraut, im vollen Bewußtsein dessen, daß eine Frau
niemals imstande wäre, etwas so Komplexes und Umfangreiches wie dieses Geschäft
zu leiten. Ich habe Dokumente, die meine Ansprüche beweisen, und sie sind
nicht nur unterschrieben von John Bradgates eigener Hand, sondern auch von
Zeugen!«
    »Das mag
schon sein«, stimmte Melissande mit einer Gelassenheit zu, die sie nicht
empfand. »Aber ich befinde mich im Besitz seines Letzten Willens und
Testaments, das mich zur Eigentümerin seines gesamten Besitzes macht. Im
übrigen ...«, sie wagte Christian nicht anzusehen, als sie fortfuhr –, »hatte
mein Vater mir einige seiner Handelsschiffe sogar schon vor seinem Tod
rechtmäßig überschrieben.«
    Das Blut
stieg in Renfords Wangen, aber er bewahrte auf bewundernswerte Weise die
Beherrschung. »Darf ich Euch daran erinnern, Demoiselle, daß Euer Vater mich zu
Eurem Vormund bestimmte und mir die uneingeschränkte Kontrolle über sämtliche
Interessen dieser Firma übertrug, bis Lord James oder ich selbst Euch für fähig
hielten, selbst ein solch riesiges Unternehmen zu leiten?« Sein Blick glitt voller
Unbehagen zu Christian. »Für den Fall, daß Ihr nicht beabsichtigt zu heiraten,
natürlich.« Die letzten Worte waren kaum zu hören, so leise sprach er sie.
    Christian
lächelte gewinnend. »Und hier bin ich, ein seefahrender Lazarus, der aus seinem
nassen Grabe aufgestiegen ist. Wer weiß, ob ich nicht hingehe und mich

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