Linda Lael Miller
gerufen und
offenbar über die Heldin ihres Romans gesprochen, den sie die ganze Zeit vor
dem Feuer im Wohnzimmer gelesen hatte.
Seine
Mutter, die im Schaukelstuhl Socken gestopft und die beiden wissen lassen
hatte, dass sie solchen Unsinn überhaupt nicht schätzte – genauso wenig wie
aufmüpfige Ehefrauen –, hatte etwas vor sich hin gemurmelt, den Kopf geschüttelt
und dann missbilligend mit der Zunge geschnalzt.
»Irgendjemand sollte langsam mal
anfangen, das Abendessen zu kochen«, hatte Cora Creed dann noch geschnaubt,
bevor sie in die Küche stolziert war.
Beth, die
ihr kurzes Leben lang immer von Bediensteten umsorgt worden war, konnte weder
kochen noch nähen oder ein Bett beziehen. Was Lincoln im Gegensatz zu seiner
Mutter aber überhaupt nicht störte.
Er lächelte
nur, küsste Beth auf die Stirn und sagte so etwas wie: »Ich hoffe, sie hat
darauf geachtet, nicht auf die Dornen zu beißen. Die Lady in dem Buch, meine
ich.«
Lachend
hatte Beth mit dem dicken Wälzer nach ihm geschlagen.
Jetzt,
allein in seinem Bett, in dem Gracie und zwei weitere Kinder gezeugt worden
waren, die nicht lange genug gelebt hatten, um auch nur einen Atemzug zu tun,
seufzte Lincoln schwer.
Schon bald
war die Nacht vorbei, und morgen lag ein langer Tag vor ihm, hart und kalt.
Tom, er und die paar Hilfsarbeiter, die auf der Ranch überwinterten, mussten
Waggonladungen Heu auf die Viehweiden schaffen und ein Loch in den zugefrorenen
Bach hacken, damit die Tiere trinken konnten.
Was er
jetzt brauchte, war so viel Schlaf, wie er nur bekommen konnte.
Juliana war schon immer eine
Frühaufsteherin gewesen und stand bereits lange vor Tagesanbruch auf.
Und doch
brannte bereits ein Feuer im Ofen des Wohnzimmers, als sie durch das noch
dunkle Haus in Richtung Küche ging. Das Haus war sehr männlich eingerichtet.
Schwere dunkle und schlichte Möbel, hartes Leder, kein Nippes, keine Häkeldeckchen,
keine Nähkörbe.
Vielleicht
hatte Lincolns Mutter – die, wie Gracie merklich erleichtert beim Abendessen
erklärt hatte, auf Reisen war – ihre Sachen ordentlich weggepackt. Soweit
Juliana sehen konnte, hatte die Frau keine Spur hinterlassen, sogar ihr Zimmer,
in dem Juliana und die Kinder die Nacht verbracht hatten, schien völlig
unberührt.
In der
Küche trat Juliana ins Licht der Laterne. Lincoln stand vor einem kleinen
Spiegel und einer Schüssel, das Gesicht eingeschäumt, und rasierte sich. Er
trug Hose, Stiefel und ein langärmliges wollenes Unterhemd. Die Hosenträger
hingen zu beiden Seiten herunter.
Er war zwar
schicklich gekleidet, doch diese frühmorgendliche Stille und das Licht der
Kerosinlampe bargen etwas so Intimes, dass Juliana wie angewurzelt stehen
blieb und scharf Luft holte.
Lächelnd
tauchte er sein Rasiermesser ins Wasser und führte es dann geschickt unter dem
Kinn und am Hals entlang.
»Morgen«,
begrüßte er sie.
Inzwischen
hatte Juliana ihre Fassung zurückgewonnen, zumindest halbwegs. »Guten Morgen«,
entgegnete sie einigermaßen steif.
»Der Kaffee
ist fertig«, verkündete Lincoln. »Bedienen Sie sich. Tassen finden Sie auf dem
Regal in der Speisekammer.« Er deutete mit dem Daumen auf eine schmale Tür.
Eilig
steuerte Juliana in die angezeigte Richtung, froh, sich mit etwas beschäftigen
zu können. Sie kam mit zwei Tassen zurück, was schließlich nur höflich war.
Nachdem sie Lincoln Kaffee eingeschenkt hatte, ging sie mit einer Tasse zu ihm.
Und wieder war es, als hätte sie ihre Zunge verschluckt, was sie merklich
nervös machte.
Er lachte,
wusch sich das Gesicht in der Schüssel, langte nach einem Handtuch und
trocknete sich ab. Sein pechschwarzes, zerzaustes Haar glänzte im Schein der
Lampe. »Danke«, sagte er und nahm die Tasse aus ihrer Hand entgegen.
In diesem
Moment kam Tom herein, seine bronzefarbene Haut von der Kälte poliert. Hinter
ihm tauchte Joseph mit einem Eimer dampfender frischer Milch auf.
Juliana
lächelte erleichtert, als wäre sie aus einer wirklich gefährlichen Situation
gerettet worden.
»Du bist
aber früh auf«, sagte sie zu dem Jungen. In der Schule war Joseph morgens
ständig zu spät zum Frühstück gekommen und hatte sich dann durch die erste
Unterrichtsstunde gegähnt.
»Tom
brauchte Hilfe«, erklärte Joseph feierlich.
Weil sie
wusste, weshalb Joseph sich so eifrig bemühte, verspürte Juliana einen
leichten Stich im Herz. Er hoffte auf einen Job, um genug Geld für sich und
Theresa zu verdienen, damit sie nach Hause fahren konnten. Mit etwas
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