Linda Lael Miller
einiger Entfernung von ihr auf, mit gezogenen Schwertern
und bereit, sich gegenseitig umzubringen. Eine morbide Pracht haftete der Szene
an, denn beide Männer waren von beeindruckender Statur.
Ihre
Klingen kreuzten sich mit einem metallischen Klirren, das Gloriana noch lauter
erschien, als es war, weil ihr Herz so heftig pochte. Der Kampf begann, und
lange Zeit war er seltsam anmutig, ein imponierender Tanz, der von zwei
Meistern dieser Kunst vollführt wurde.
Bei jedem
Schwerthieb zuckte Gloriana zusammen, aber sie wandte den Blick nicht ab, so
gern sie es auch getan hätte. Wenn Dane sterben muß, dachte sie, ist das
mindeste, was ich tun kann, sein Opfer zu bezeugen.
Merrymonts
Klinge traf Dane am Oberschenkel und ließ einen blutenden Schnitt zurück.
Mit einem
Schrei sprang Gloriana auf.
Danach
wurde der Kampf heftiger; bald waren Dane und sein Gegner schweißüberströmt und
blutig. Keiner von beiden wollte jedoch aufgeben; jede neue Wunde diente nur
dazu, ihren Empfänger zu noch grimmigeren Angriffen anzutreiben.
Die Hand
vor den Mund gepreßt, um nicht zu schreien, verfolgte Gloriana das Duell und
betete zu Gott, daß Dane es überleben möge.
Als endlich
die Antwort kam – vom Himmel oder woher auch immer –, setzte Dane mit letzter
Kraft zu einem gewaltigen Hieb an und schlug seinem Onkel das Schwert aus der
Hand. Dann, die Spitze seines Schwerts gegen Merrymonts Hals gepreßt, keuchte
er: »Soll ich dich jetzt
umbringen? Den Bruder meiner eigenen Mutter?«
Merrymont
atmete schwer. Seine feinen Kleider waren, wie Danes, mit Blut und Schmutz
bedeckt und feucht vor Schweiß. Er ließ sich auf ein Knie sinken, mehr aus
Erschöpfung als aus Demut, und als er sein Gesicht erhob, lächelte er zu Danes
und auch Glorias Verblüffung.
»Ich bin
müde, Kenbrook«, gestand er mit leiser Stimme. »Aber ich verspüre kein
Verlangen, von deinem Schwert durchbohrt zu werden. Ich habe dich hergebracht,
weil ich einen Erben brauche.«
Dane war
ganz offensichtlich noch viel verblüffter als Gloriana.
»Was?«
fragte er ungläubig.
Merrymont
stand unsicher auf. Dane war ihm zwar nicht behilflich, aber er versuchte auch
nicht, ihn daran zu hindern. Gloriana saß derweil wie erstarrt auf ihrer Bank,
unfähig, auch nur ein Wort hervorzubringen.
»Ich habe
drei Gemahlinnen gehabt«, fuhr Merrymont fort, »und keine von ihnen hat das
Kindbett überlebt. Auch die armen Kinder nicht, die sie mir geboren hatten. Du,
der Sohn meiner Schwester, bist der einzige, dem ich meinen Besitz hinterlassen
würde.«
Dane
steckte sein Schwert ein, aber er sagte nichts. Selbst jetzt noch sah er so
wütend aus, als ob er sich auf seinen Onkel stürzen und ihn erdrosseln wollte.
Gloriana,
die endlich ihre Stimme wiederfand, sprang auf und rief: »Wieso wolltet Ihr
meinen Gatten umbringen, wenn Ihr ihm Euren Besitz vermachen wollt?«
»Das ist
eine vernünftige Frage«, gab Merrymont zu. Ein Diener erschien und brachte
Wein, und der besiegte, aber dennoch nicht gedemütigte Baron nahm den Becher in
beide Hände und trank einen durstigen Schluck. Er schaute Kenbrook an, als er
auf Glorianas Frage antwortete. »Ich hätte diese Ländereien lieber dem König
zurückerstattet, bevor ich sie einem Mann gegeben hätte, der sie nicht halten
könnte. Du mußtest mir zuerst beweisen, Dane St. Gregory, daß du für die
Aufgabe geeignet warst.«
Dane
schaute stirnrunzelnd seinen Onkel an und winkte ab, als Gloriana Einwände
erheben wollte. »Du bist noch nicht alt«, sagte er widerstrebend. »Warum
brauchst du also jetzt schon einen Erben?«
Merrymonts
Lächeln war nicht ohne Bosheit. »Nicht, weil ich dir den Gefallen erweisen will
zu sterben, Neffe«, erwiderte er. »Aber wenn der Tag kommt – möge er noch lange
auf sich warten lassen –, muß alles bereit sein.« Damit richtete er den Blick
auf Gloriana, und diesmal lag eine gewisse Zärtlichkeit in seiner Haltung, als
er sich vor ihr verneigte. »Ihr, Mylady, seid eine angemessene Herrin für jeden Grundbesitz, mit Eurer Courage, Eurer Schönheit und unglaublichen Loyalität
dem Mann gegenüber, den Ihr liebt.«
Gloriana
dachte nicht daran, sich zu bedanken. Sie warf Merrymont nur einen ärgerlichen
Blick zu, errötete und ging zu Dane.
Er legte
einen Arm um sie, als sie zu seinem Hengst hinübergingen, und schaute zu den
Türmen auf, um sich zu überzeugen, daß dort keine Bogenschützen standen. Als er
Gloriana auf das Pferd gehoben hatte, saß er hinter ihr auf und hielt mit
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