Lindenallee
viel davon eine schauspielerische Leistung darstellte.
Als das Bier vor ihnen abgestellt wurde, stießen sie an. Anschließend zündete sich Paula eine Zigarette an. Genüsslich blies sie den Rauch aus. „Wenn wir schon im Raucherraum sitzen, muss ich wenigstens eine rauchen.“
Überrascht sah Steffen sie an. „Du hättest dich auch mit mir in den Nichtraucher gesetzt?“ Über seinen Augen bildete sich eine kleine Falte. Paula beobachtete, wie diese Falte tiefer wurde. Sie unterdrückte den Drang, die Falte mit ihrem Zeigefinger sanft glatt zu streichen.
„Natürlich hätte ich mich auch zu den Nichtrauchern gesetzt. Ich hätte dich dann ab und zu alleine gelassen, um eine rauchen zu gehen. Ich rauche eh kaum noch, ich weiß auch nicht woran das liegt. Vielleicht an der fürsorglichen Betreuung eines bestimmten Arztes.“
„Dann kannst du auch ganz damit aufhören“, spann Steffen den Bogen beiläufig weiter.
Guter Psychotrick, verbuchte Paula seinen Versuch, sie endgültig vom Rauchen wegzubekommen.
„Irgendwann bestimmt, aber nicht heute. Wo wir jetzt schon hier drinnen sitzen und die Klamotten vermieft sind ...“
Unvorhergesehen sprang Steffen auf. Paula beobachtete ihn verblüfft, wie er hektisch in seiner Hosentasche herumfingerte.
„In meiner Hose vibriert es“, stieß er zur Erklärung hervor. Endlich bekam er das Handy zu fassen und mit einem Blick auf das Display, fluchte er. „Oh Mist, da muss ich rangehen.“
Er meldete sich mit Dr. Borchert und Paula ahnte, dass es ein berufliches Gespräch war. Eine aufgeregte Stimme sprach laut auf Steffen ein. Er nutzte geschickt den Moment einer kurzen Pause und fuhr dazwischen.
„Frau Mildrecht! Bleiben Sie bei ihm. Haben Sie schon den Notarzt angerufen? Nein? Das machen Sie zuerst!“ Seine Stimme wurde laut und nahm einen widerspruchslosen Befehlston an. „Ich komme bei Ihnen vorbei, lassen Sie die Tür offen stehen.“ Steffen legte auf. „Verflucht. Sie hat noch nicht den Notarzt angerufen.“ Paula bemerkte auf seinem Gesicht tiefe Sorgenfalten.
„So ernst?“
„Ja, ich muss sofort los.“ Er rannte nach draußen, schnappte sich seine Jacke vom Kleiderhaken und verschwand. Paula blieb alleine zurück. Nachdenklich drückte sie die Zigarette im Aschenbecher aus. Bislang hatte sie in ihm nur einen Arzt gesehen, der in der Praxis den Kranken bei ihren alltäglichen Wehwehchen half. Dass es aber auch um Leben und Tod gehen konnte, war ihr nun klar geworden. Notfälle hielten sich nicht an Praxisöffnungszeiten und holten Steffen in seinem Privatleben ein. Paula ertappte sich dabei darüber nachzudenken, wie es wäre, mit einem Arzt zusammen zu sein, der mal so eben zu einem Notfall verschwand. Könnte sie damit umgehen? Die Patienten gingen vor, aber vor der privaten freien Zeit? Sie kannte Steffen erst ein paar Wochen, aber so wie sie ihn einschätzte, war er kein Arzt, der seine Behandlung nur in den festgelegten Sprechstunden durchführte. Er bot eine Rundumfürsorge an und er war für seine Patienten da. Das passte zu ihm. Die Frau, die an seiner Seite leben wollte, musste diesen Weg mitgehen können, sonst wäre die Beziehung zum Scheitern verurteilt. Deshalb war er geschieden, rief sich Paula in Erinnerung. Aber mal ganz ehrlich, wie konnte seine Ex-Frau bei Trost gewesen sein, den Mann gehen zu lassen? Paula schüttelte den Kopf.
„Hast du ihn vergrault?“ Akay räumte das schale Bier von Steffen beiseite.
„Ein Notfall. Hörte sich ernst an.“
„Kommt er wieder?“
„Gute Frage. Ich denke schon. Aber sag mal, was ist bei dir los? Ein Mann in deiner Wohnung?“
Akay wurde rot und Paula schmunzelte darüber, wie sich ihr Gesicht vor Aufregung rötete.
„Du bist verknallt!“ Paula warf ihr die Vermutung unverblümt ins Gesicht.
Akay kicherte albern. „Ich glaube schon.“
„Erzähl.“
„Ach, da gibt es nicht viel zu erzählen. Ich kenne Mike erst seit einer Woche. Wir haben uns in der Uni-Bibliothek kennengelernt. Die Bibliothek war sehr voll und wir beide hatten den einzig freien Tisch im Visier, der in einer Ecke stand. Wir hechteten also beide darauf zu und prallten aneinander. Erst sahen wir uns böse an, aber dann sahen wir uns eine Sekunde länger an ... und Bumm hat es gemacht. Unglaublich, so etwas ist mir noch nie passiert. Anstatt etwas für die Uni zu tun, sind wir ins nächste Café und haben stundenlang gequatscht. Er studiert Physik, kannst du das glauben?“
Paula schüttelte den Kopf, sie konnte
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