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Lindenallee

Lindenallee

Titel: Lindenallee Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katrin Rohde
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krausziehen oder anderweitige, wenig amüsante Grimassen schneiden.
    „Dir sollen natürlich keine Kosten entstehen“, warf Paula ein. „Benzingeld bekommst du, Verpflegungskosten übernehme ich und natürlich die Rückfahrt mit dem Zug. Alles inklusive und plus dem, was du für deine Dienstleistung nimmst.“
    „Ach, dafür nehme ich doch kein Geld.“ Er machte eine wegwerfende Bewegung mit der Hand. Er begann die Reise bereits gedanklich zu planen. „Mein alter Kumpel Kurt ist vor zwanzig Jahren in die Nähe von München gezogen. Den maile ich gleich mal an, dass ich vorbeikomme.“
    Ohne ein Wort der Verabschiedung verließ er schnurstracks das Wohnzimmer. Sprachlos sah Paula hinter ihm her und ihr Blick blieb an Frau Lindner hängen. Irritiert bemerkte Paula ein Lächeln auf ihrem Gesicht.
    Frau Lindner verließ ihre Warteposition an der Tür und nahm den Platz ein, auf dem zuvor ihr Mann gesessen hatte. Gefasst sah sie Paula an. „Wissen Sie, mein Mann ist schnell zu begeistern. Er ist für vieles schnell zu begeistern. Mit einigen Sachen bin ich nicht einverstanden, manche gehen schief, bei manchen blüht er richtig auf.“
    Paula horchte auf: Frau Lindner gewährte ihr einen Blick hinter die Fassade. Gebahnt lauschte sie deren nächsten Worte.
    „Seitdem Günther in Rente ist, ist er häufig unzufrieden. Er weiß nicht so recht mit seiner freien Zeit etwas anzufangen. Es fehlt ihm eine Aufgabe, etwas oder jemand, der ihm sagt, er wird gebraucht. Wenn ihm die Decke auf den Kopf zu fallen droht, flüchtet er in seine Hobbys, wie das Angeln oder Golfen.“ Frau Lindner seufzte tief. „Das Angebot den Wagen nach München zu fahren wird ihn Tage, wenn nicht sogar Wochen, zufrieden stimmen.“ Dankbar blickte sie Paula in die Augen. „Wissen Sie, ich liebe diesen Mann, mit seinen Fehlern und Macken, so wie er ist.“
    Paula erwiderte nichts, denn von so viel Aufrichtigkeit war sie geplättet und nickte Frau Lindner nur verständnisvoll zu. Der Moment dauerte einen Wimpernschlag, dann war er vorbei.
    Frau Lindner schlug sich mit der flachen Hand aufs Bein. „Und wie Sie sehen, muss ich mich um alles andere kümmern. Wann soll das Auto überführt werden? Zu welcher Adresse?“
    Paula räusperte sich, um ihre sprachlose Stimme zurückzuholen. „Wie wäre es mit Freitag, wenn das nicht zu kurzfristig ist? Die Adresse mit Autoschlüssel und Papieren bringe ich Ihnen morgen vorbei. Was die Umkosten betrifft, sagen Sie mir bitte, was Sie als Vorschuss brauchen“, schlug Paula vor.
    „Das mit dem Geld regeln wir, wenn Günther wieder zurück ist. Ich denke Freitag ist ein guter Tag, vor allem weil Günther von nun an wie auf heißen Kohlen sitzen wird und es nicht abwarten kann, auf die große Reise zu gehen.“ Frau Lindner stand auf. „Gut, dann haben wir das soweit geklärt.“
    Ihr Tonfall und ihre Gestik gaben Paula zu verstehen, dass das Gespräch hiermit beendet sei. Sie erhob sich und folgte Frau Lindner in den Flur. Von Günther war weit und breit nichts zu sehen, nur das Klappern auf der Tastatur verriet seine Anwesenheit in einem Nebenzimmer.
    „Dann bis morgen“, verabschiedete sich Paula.
    Frau Lindner nickte ihr ohne ein Wort zu und schloss die Tür.
    Paula stand wieder verwirrt im Treppenhaus. Erst der schnelle Rauswurf bei Magarete, dann der bei Lindners. Die Lindners gaben aus ihrer Sicht ein seltsames Paar ab. Aus Frau Lindner würde sie vermutlich nie schlau werden. Für einen kurzen Augenblick hatte sie ihre Fassade fallen lassen und genauso schnell den Vorhang wieder hochgezogen. Schade, bedauerte Paula, die Offenheit stand ihr nämlich gut und machte sie sympathisch.
    Langsam stieg sie die Treppe hoch. Der Schnaps und der Longdrink hingen ihr schwer in den Beinen. Sie hoffte inständig, dass Akay heute nicht mit einer Weinflasche vorbeikommen möge, denn sonst wäre sie schlagartig betrunken. Als Paula ihre Tür aufschloss, hörte sie Stimmen aus Akays Wohnung. Stutzig hielt sie inne, denn die zweite Stimme hörte sich eindeutig männlich an. Akay lachte kokett auf, nachdem der Mann eine Bemerkung fallen ließ. Paula grinste in sich hinein. Ich muss sie die nächsten Tage aushorchen, schwor sie sich.
    Paula trat in ihren dämmrigen Flur, in dem ihr das rote Licht des Anrufbeantworters gespenstisch entgegenblinkte. Sie fasste sich kopfschüttelnd an die Stirn. Sie hatte Friedrich Mendelssohn völlig vergessen. Er hatte angerufen, war ihr nächster Gedanke. Zittrig drückte sie auf die

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