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Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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nickt nur. »Sie sind weg und wir finden sie nicht.«
    Meines ist nicht weg. Es ruht gut spürbar in meiner hinteren Hosentasche, versteckt unter meinem Longpullover. Ihr wisst nur nicht, dass ich eines besitze. Der Saft reicht vielleicht noch für ein, zwei Anrufe, für mehr nicht, und die spare ich mir auf. Euch schenke ich sie nicht.
    »Und wie kommt ihr darauf, dass ich die Handys habe?«
    »Na, weil du dein Ziel noch nicht erreicht hast!«, keift Maggie so laut, dass Falk und Jules sich von ihr wegdrehen, um ihre Ohren zu schützen. Luna beginnt von Neuem zu knurren, doch Maggie kümmert sich nicht um sie. »Du hast Jules noch nicht rumgekriegt, du hast Falk noch nicht rumgekriegt und Tobi auch nicht. Du musst erst noch einen Mann rumkriegen, oder? Und Rache üben willst du auch noch! Hast es uns ja eben erst angekündigt!«
    »Hört auf«, mischt sich Falk leise, aber so warnend ein, dass Maggie bis in den Flur zurückweicht. »Lasst sie in Frieden. Sie hat die Handys nicht. Und jetzt verpisst euch. Alle zusammen. Raus!«
    Das »Raus« brüllt er, obwohl es ihm wehtun muss, aber es zeigt sofortige Wirkung. Jules, Maggie und Simon drehen sich wie Marionetten an Fäden um, verlassen mit abgehackten Bewegungen mein Zimmer und ziehen die Tür hinter sich zu, als habe Falks Ausbruch alle ihre Argumente im Nu zerstreut, obwohl die Situation die gleiche bleibt. Die Handys sind verschwunden. Jemand will, dass wir hier auf der Hütte bleiben, um jeden Preis. Und sie glauben, dass ich es bin, genauso wie sie denken, dass ich Rache üben möchte.
    »Ist gut, Mozzie, sie sind weg.«
    Ich merke erst jetzt, dass ich weine; dünne, lautlose Tränen, die sich vor Schreck und Zorn aus meinen Augen befreit haben. Noch immer umklammere ich mit meinen Händen den kalten, glatten Waschbeckenrand.
    »Warum denken sie das?« Ich wische die Nässe mit dem Pulliärmel von meinen Wangen. »Warum denken sie, ich habe die Handys …« Ich rede nicht weiter. Sie haben es mir eben gesagt. Weil ich mein Ziel noch nicht erreicht habe, und ich kann es nicht leugnen, ich will nicht weg von hier, und ja, ich will auch noch Zeit mit Falk verbringen, aber ich finde, dass ich die besten Gründe von allen hätte, auf der Stelle die Flucht zu ergreifen.
    Nur zögerlich dringt zu mir durch, was geschehen ist. Jules hat mich erneut angegriffen und Falk hat mich verteidigt. Er könnte es getan haben, um die Aufmerksamkeit von sich abzulenken, denn gerade eben noch hatte ich ihn wegen heute Nacht ins Gebet genommen. Oder es war ehrlich gemeint.
    »Du bist halt schwer einzuschätzen, Linna. Man weiß nie, woran man bei dir ist.« Falk setzt sich zurück auf mein Bett. »Dir ist alles zuzutrauen.«
    »Aber wieso denn das? Wie meinst du das, wieso bin ich schwer einzuschätzen?« Ich kapiere es nicht. Ich bin keine Tussi, die ständig rumzickt und nie sagt, was sie denkt, sondern immer nur Andeutungen streut. Ich rede Klartext und ich dachte immer, das sei der Grund, weshalb ich so gut mit Männern auskomme.
    »Weiß nich’ … Ist deine Art. Du kannst eiskalt sein und dann redest du plötzlich aus dem Nichts heraus von Gefühlen und man hat den Eindruck, es ist aufgesetzt, nicht echt. Es wirkt so … so als wolltest du die anderen damit schocken oder provozieren.«
    »Meinst du …« Ich fühle mich wie ein angeschossenes Tier; ich versuche noch zu fliehen, obwohl mein Schicksal längst besiegelt ist. »Meinst du, als ich von … von unserer Nacht geredet hab?«
    »Zum Beispiel. Nicht nur das. Du haust das immer so brutal raus, ohne Vorwarnung, ohne … ohne dass man damit rechnen könnte. Es wirkt nicht, als käme es aus dir. Oder aber das Eiskalte kommt nicht von dir. Es passt nicht zusammen. Man kann nicht von Gefühlen reden und dabei eiskalt sein.«
    Doch, das kann man, Falk. Manchmal muss man das sogar. Weil es einen rettet. Meine Brust schmerzt, als sei ich von Kugeln durchsiebt worden. Ich bin voller Wunden und sie alle bluten.
    Es ist beides da, beides, will ich sagen, doch mein Mund bleibt verschlossen. Stattdessen möchte ich mit meinen Fäusten auf etwas einschlagen, um die Qual in meiner Seele nicht mehr spüren zu müssen. »Aber ich hab doch nie etwas Böses getan«, bringe ich schließlich mühsam hervor und merke im selben Moment, wie naiv sich das anhört. Trotzdem, ich habe nie jemandem Leid zugefügt – jedenfalls nicht absichtlich.
    »Das glaube ich dir sogar. Du wirkst nur permanent, als würdest du jeden Moment damit anfangen

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