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Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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nicht. Ich will mein Handy wiederhaben, bitte. Ich brauche mein Handy, gib es mir zurück!«
    Ich drücke meine Unterarme gegen meine Stirn, um mich zu beruhigen, denn Simons Panik wirkt ansteckend auf mich.
    »Simon, ich weiß, dass du mir das nicht glaubst, aber ich habe es nicht. Ich hab auch nicht die Botschaft an die Wand geschrieben. Ich weiß nicht, wo dein Handy ist. Aber ich hab mein eigenes noch und …«
    »Ich will nicht deins, ich will meins! Bitte, gib es mir!« Erneut beginnen seine Pupillen sich nach oben zu verdrehen. »Ich will sie nur ansehen …«
    Sie? Ansehen? Was meint er? Wen oder was will er ansehen?
    »Simon?« Doch die Bewusstlosigkeit hat ihn wieder mit sich genommen. Noch einmal überprüfe ich seinen Puls, dann gehe ich in die Küche, stelle Wasser auf, hänge einen Teebeutel in den einzigen gespülten Becher, den ich finden kann, und laufe mit dem Korb im Arm zum Anbau, wo Falk mit kräftigen, gleichmäßigen Schlägen Holz hackt. Erfrieren werden wir also nicht. Doch das ganze frische Holz wird uns nichts nützen, falls Simon Fieber bekommt. Dann werde ich mein Handy aktivieren und Hilfe rufen. Trotzdem unterbreche ich Falk nicht. Ich möchte ihn und mich noch einen Moment in dem Glauben lassen, dass es bei unserem Plan bleibt und wir uns oben auf die Lauer legen – er kommt mir vor wie der schönste und spannendste Plan meiner kompletten fünf vergangenen Jahre. Außerdem wissen wir nicht, ob die Bergwacht uns heute noch holen kann; es tanzen wieder erste Flocken aus dem schiefergrauen Himmel. Falk richtet sich auf und wischt sich ein paar Holzspäne aus dem Gesicht.
    »Brauchst du Hilfe?«
    Er schüttelt den Kopf und schlägt zu. Er hat das schon oft gemacht, es geht im leicht von der Hand. »Hab genug Holz geholt. Feuere du lieber den Ofen an und kümmere dich um Simon. Ist es denn schlimm?«
    »Nur wenn es sich entzündet«, lüge ich. Es ist auch ohne Entzündung ein Schnitt, der genäht werden müsste, erst recht an der Hand eines Musikers. Schließlich hat es die Stelle getroffen, in der der Hals seines Cellos ruht. Eine schlecht verheilte Narbe kann Simon dort nicht gebrauchen.
    Aber ich will noch nicht wahrhaben, dass wir deshalb abreisen müssen, nicht jetzt. Diese wenigen Minuten mit Falk möchte ich in der Gegenwart bleiben und nicht in die Zukunft blicken. Ich schaue ihm noch eine kleine Weile beim Holzhacken zu, dann fülle ich den Korb mit dem frisch gemachten Brennholz und kehre in die Stube zurück, um den Ofen einzuheizen und ein Tablett mit Tee, Keksen, Zucker und Honig zu richten. Mal wieder, denke ich verwundert. Linna kümmert sich. Niemand der anderen ahnt, wie oft ich das bereits als kleines Mädchen getan habe, für sie.
    Mit dem Tablett in den Händen laufe ich zurück zu Simon, dessen Bewusstlosigkeit in einen tiefen, ruhigen Schlaf übergegangen ist. Vorsichtig stelle ich den Tee auf seinem Nachttisch ab und ziehe ihm die Decke über den Bauch, damit er nicht friert. Die ungesunde Röte seiner Wangen ist zurückgegangen, sein Atem fließt gleichmäßig und ruhig. Er sieht nun aus wie ein ganz normaler, erschöpfter und erkälteter junger Mann, doch ich kann das Drängen in seinem Blick nicht vergessen, mit dem er mich eben noch angeschaut hat. Er war mir gar nicht böse wegen der Handys und wegen der Botschaft, obwohl er der festen Überzeugung ist, ich sei dafür verantwortlich, es ging ihm nur darum, seines wiederzubekommen. Ich würde es ihm geben, wenn ich es hätte.
    Der Flur liegt still und dunkel vor mir, als ich Simons Tür hinter mir schließe, doch in der Stube treffe ich auf Tobias und Maggie, die dicht beieinander am Ofen stehen und die Köpfe zusammengesteckt haben. Verstehen kann ich nichts, das Prasseln des Feuers übertönt ihre Stimmen. Als sie mich bemerken, unterbrechen sie ihr Gespräch und schauen erschrocken zu mir herüber. Maggies Wangen sind schon wieder näss und auch Tobi hat sein Lausbubenlächeln verlernt. Keiner der beiden freut sich, mich zu sehen. Ich habe es kaum anders erwartet. Trotzdem irritiert mich etwas an der Art, wie sie zusammenstehen. Sie haben vertraulich miteinander geredet, wahrscheinlich über das, was heute Morgen geschehen ist. Hat Maggie Trost bei Tobias gesucht? Das ist gut möglich, aber warum weint sie dann immer noch? Ich traue Tobi solide Trösterfähigkeiten zu. Beim Trösten müsste er in seinem Element sein.
    Sie sagen kein Wort, als ich an ihnen vorbei nach draußen zum Anbau laufe. Ich muss mich

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