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Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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verheiratet sind, dass sie gar nicht merken, dass sie sich völlig auseinandergelebt haben und einander eigentlich spinnefeind sind. Sie redet, er hört nicht zu, sie bittet ihn um etwas, er macht das Gegenteil. Für mich einer von vielen Gründen, niemals zu heiraten. Aber es bei Maggie und Jules zu beobachten, war verstörend.
    Jules und Tobi begannen, nach dem Essen eine Runde Skat zu kloppen, eine Spezialversion für zwei Spieler, als wäre es ein ganz normaler Abend. Das ist so typisch für Männer. Hinter ihnen können Bomben hochgehen, aber wenn ein Kartenspiel da ist und etwas zu trinken, wird erst einmal ein Blatt auf den Tisch gelegt. Falk schnappte sich Luna, um mit ihr die übliche abendliche Gassirunde um die Hütte zu gehen; Maggie und ich spülten gemeinsam Geschirr und verzichteten darauf, den Jungs eine gute Nacht zu wünschen, als wir uns anschließend auf den Weg in unsere Zimmer machten.
    Seitdem sitze ich auf meinem Bett und kämpfe gegen meine immer stärker werdende Müdigkeit an. So aufreibend der Tag auch war, mein Körper verlangt rücksichtslos nach seiner Erholungspause, trotz der Furcht, die mir im Nacken sitzt, wenn ich über den Spruch an der Wand nachdenke. Vielleicht soll er mir nur Angst einjagen, mich ins Abseits drängen. Doch vielleicht wird er wahr und jemand – Jules? – übt Rache an mir. Schon allein deshalb sollte ich die Nacht mit Falk verbringen – und es jetzt so handhaben, wie wenn ich nach einem langen, erschöpfenden Arbeits- und Muttertag zum Training fahre. Ich muss mich mit Musik aufputschen. Nicht mit Mike. Mike inspiriert und tröstet mich, aber jetzt brauche ich etwas anderes. Am besten das, was ich vor einem Kampf höre oder … Ja, genau, ich habe es. Ich nehme den Song, zu dessen Klängen ich bei meinem letzten Showbattle eingelaufen bin, in der Mannheimer Maimarkthalle. Ein Abend, den ich nie vergessen werde, und das nicht nur wegen der dunkelroten Blutstropfen, die anschließend auf dem Boden des Rings prangten. Ihre, nicht meine.
    Wir waren nur der Appetizer, wie eine Vorband, die das Publikum für den großen Gig aufwärmen und in Stimmung bringen soll – und wir sollten ein Plädoyer fürs Frauenboxen abliefern. Es ging nicht um Ranglisten oder Siege, es ging darum zu zeigen, dass auch Frauen in diesem Sport gut aufgehoben sind. Dabei ist das seit Halmich und Kentikian doch kein Geheimnis. Für mich war es sowieso mehr als ein Plädoyer. Ich kämpfe richtig oder gar nicht.
    Meine Gegnerin hatte außerdem vor, in eine der Profiligen aufzusteigen, ein junges, aufsässiges Ding, das schon beim Wiegen an giftigen Blicken und Angeberposen nicht sparte. Ich blieb cool wie immer, ließ mir nichts anmerken und reagierte nicht auf ihr Geaffe. Es würde ihr vergehen, sobald sie mir gegenüberstand.
    Ein weiterer Vorteil dieser Veranstaltung bestand darin, dass ein Showkampf in erster Linie unterhaltsam sein soll. Deshalb: Keinen lästigen Kopfschutz, man sollte uns schließlich sehen. Musik zum Einmarschieren für beide. Obwohl der Fokus auf ihr lag, schaffte ich es, Benno zu überreden, alles dafür zu tun, dass ich als Zweite in den Ring einlief und nicht als Erste. Es ist immer besser, wenn man als zweite Kämpferin in den Ring kommt. Du hast gehört, welche Musik deine Gegnerin ausgewählt hat, und kannst dich kurzfristig umentscheiden, um sie zu toppen. Oder du spielst auf Zeit, lässt sie zappeln.
    Bei mir war ein Umentscheiden nicht nötig. Ihre Musik war ein Brett, ich gebe es zu – Titanium von David Guetta; allein der Song brachte die Meute in Stimmung und zog die Aufmerksamkeit der meist männlichen Zuschauer im Nu auf den grell erleuchteten Ring. Trotzdem sah sie alt aus, nachdem das Licht in der Halle gedimmt worden war und die Kamera mich in der Kabine zeigte, wie mir von meinem Trainer der Mantel über die Schultern gelegt wurde, und zeitgleich die Musik einsetzte. Niemand konnte mit einem solchen Song rechnen. Niemand konnte damit rechnen, dass er so gut zu mir passen würde – und niemand konnte damit rechnen, dass ich sie damit in eine Art Angststarre versetzen würde.
    Eigentlich ist es ein Song für Gothic-Poser, More von Sisters of Mercy, aber er wirkt. Er wirkte vor allem im Zusammenspiel mit mir, dem Ambiente, dem Publikum, den Scheinwerfern, mit der geballten Kraft, die in mir lauerte und nur darauf wartete, ausbrechen zu dürfen.
    Ich schaue mir nicht gerne Videos von mir an, weder von meinen Bandauftritten noch von meinen Kämpfen,

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