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Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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glaub mir, Linna, das war ich nicht«, beteuert er mit erhobenen Händen. Er weint so sehr, dass er seine Worte kaum noch artikulieren kann. »Bitte glaube mir, ich hab aufgehört mit den Botschaften, nur die heute war wieder von mir, aber damit meinte ich doch mich selbst! Ich meinte mich selbst, keinen von euch! Ich wollte, dass du merkst, wie … dass ihr merkt …«
    »Aber wer soll das denn bitte sonst an die Küchenwand geschrieben haben? Dass einer von uns schwul ist?«
    »Ich«, ertönt eine helle und allzu vertraute Stimme hinter mir. Ich drehe mich zu schnell um und verliere beinahe die Balance. Direkt neben mir rutscht eine Ladung Schnee das Dach hinunter. »Ich war es.«
    Oh nein. Sie haben alle zugehört. Ihre Köpfe ragen wie ein Strauß riesiger, runder Blumen aus dem Dachfenster. Ich hatte sie völlig vergessen.
    »Du?«, fragen Maggie und ich gleichzeitig in einem astreinen Terzabstand. »Warum du?«, setze ich hinterher, da Maggie nur noch in der Lage ist, den Kopf zu schütteln.
    Simon atmet seufzend aus. Ich kann sein Gesicht im Dunkeln nicht erkennen, doch ich ahne, wie schwer es ihm fällt, eine solche Tat zuzugeben. »Na, weil ich schon seit der Hochzeit spüre, dass meine Schwester unter ihrer Ehe leidet, und ich keinen Grund fand, warum Jules sie nicht lieben sollte, außer diesem einen. Ich konnte es zwar nicht richtig glauben, aber ich konnte Maggie nicht mehr dabei zusehen, wie unglücklich sie ist. Ich hab mich aber auch nicht getraut, Jules direkt darauf anzusprechen … Manchmal bin ich halt feige. Ich habe gehofft, dass sie es liest und selbst ins Denken kommt. Maggie ist absolut beratungsresistent, was Jules betrifft. Nicht mal mir hätte sie das geglaubt. Aber es war doch nicht zu übersehen, dass er Falk liebt. Also, ich hab es gesehen.«
    Simon hat es gesehen? Und ich nicht? Das beleidigt mich beinahe. Aber wahrscheinlich hat Simon einen viel objektiveren Blick auf uns und unser Verhalten. Er ist außen vor, die Liebe ist für ihn selbst kein aktuelles Thema mehr. Er wird nicht von seinen Gefühlen abgelenkt, wenn er uns beobachtet.
    Jetzt leuchtet mir so einiges ein. Deshalb hat er mich gefragt, ob wir schon über die Botschaft gesprochen haben, und wirkte dabei so frustriert und grüblerisch. Weil er dachte, sein Plan sei nicht aufgegangen. Deshalb hatte er es auch tags zuvor plötzlich nicht mehr eilig, von hier oben wegzukommen. Er wollte es durchziehen. Penibel, wie er ist, hat er an die Klammer gedacht, als er seinen Plan umsetzte, während Jules sie vergessen hatte. Doch sie beide meinten das Gleiche. Echtes Teamwork.
    »Es war ansteckend«, versucht Simon seine Tat zu begründen. »Irgendwie war es ansteckend. Wie ein Spiel.«
    »Für mich war es kein Spiel«, stelle ich klar. »Es ist immer nur ein Spiel für die, die dabei gewinnen. Ich habe verloren, Simon.«
    »Tut mir leid, Lavinia«, erwidert Simon reumütig und streckt seine Hand durch das schmale Dachfenster, eine völlig nutzlose Geste, weil ich zu weit weg sitze, um sie ergreifen zu können. Doch sie wirkt so ehrlich, dass ich beinahe lachen muss. Prustend wende ich mich wieder Tobias zu, dessen Schluchzer leiser geworden sind.
    »Möchtest du dich jetzt noch umbringen oder kommst du wieder rein?«, frage ich ihn sachlich, weil ich keinen Sinn mehr darin sehe, dieses Gespräch fortzuführen. Außerdem schlottere ich vor Kälte am ganzen Leib und ich will zurück zu meinen Freunden.
    »Moment. Ich hab da auch noch ein Wörtchen mitzureden. Heb mich hoch. Heb mich hoch, Simon, sofort!« Simon gehorcht stumm, doch Falk muss mit anpacken, um Maggies Gewicht so weit aus dem Fenster zu hieven, dass sie meine ausgestreckte Hand ergreifen und sich von mir auf den First ziehen lassen kann. Mit einem Knirschen löst sich eine Schneeplatte unter ihren Füßen und rast krachend zu Boden.
    »Jetzt wird es aber langsam eng hier oben. Maggie, was …« Doch sie ist schon über mich drübergeklettert und robbt auf dem Hintern Tobias entgegen. Sie muss einen Furcht einflößenden Blick in ihren Augen haben, denn er versucht, nach hinten auszuweichen, obwohl er schon am Abgrund sitzt. »Nicht, Maggie, lass ihn!«
    Sie hat nicht gelogen, als sie sagte, sie habe sich in Stimmung geschlagen. Auch diese Backpfeife sitzt und sie trifft Tobias so unvermittelt, dass er sofort nach hinten kippt. Maggie quiekt auf, reagiert aber geistesgegenwärtiger, als ich es ihr zugetraut hätte, und bekommt gerade noch seinen Knöchel zu fassen, bevor

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