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Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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erst dazu motiviert!«
    »Habe ich nicht!«, brülle ich sie wutentbrannt an. »Er hat das selbst geschrieben, wie alle anderen Botschaften auch! Er ist ein Psycho, Maggie!«
    Maggie will zurückschreien, hält sich aber im letzten Moment mit geöffnetem Mund zurück, weil über uns ein Knacken ertönt und polternd Schnee vom Dach rutscht. Nun blicke auch ich hinauf und spüre, wie mein Herz zu rasen beginnt, obwohl ich immer noch davon überzeugt bin, dass ein echter Selbstmörder nicht auf dem Dach herumtanzt und schreit: Bitte komm, sonst springe ich! Das ist Seifenoperniveau.
    Aber wenn er es doch tut, steht jeder von uns in der Verantwortung. Er hält uns in Atem, immer noch.
    »Linna! Hörst du mich nicht? Linna …«
    Sein Heulen klingt authentisch. Gestern noch wäre ich längst auf dem Dach gewesen und hätte mich um ihn gekümmert. Jetzt kann ich nur noch daran denken, dass er womöglich mit meinen Haaren in seiner Hand einschläft und mich im Dunkeln begrapscht hat. Trotzdem – ich kann auf meine Gefühle keine Rücksicht nehmen. Maggie hat recht, das Risiko ist zu hoch, dass er sich bei seiner halsbrecherischen Turnerei auf dem vereisten Dachfirst zu Tode stürzt, auch wenn ich das bei den momentanen Schneehöhen für unwahrscheinlich halte. Doch es sind schon Menschen in Planschbecken ertrunken.
    Seufzend stehe ich auf, gehe zum Dachfenster und schiebe es mit einiger Anstrengung auf.
    »Soll ich nicht lieber …«
    »Nein«, lehne ich Falks Angebot kategorisch ab. Wenn jemand ein Hühnchen mit Tobias zu rupfen hat, dann ich. »Mach mir lieber eine Räuberleiter.«
    Er nimmt mich kurzerhand bei den Hüften und stemmt mich so weit nach oben, dass ich mich durch das schmale Fenster hangeln kann.
    »Pass bloß auf, die Schindeln können höllisch glatt sein, ja?«, ruft er mir hinterher. Das sind sie auch, entweder glatt oder dick von Schnee überzogen, doch ich bin dem Dachfirst so nahe, dass ich nur nach seiner Kante greifen muss, um mich hochzuziehen. Tobias steht am anderen Ende des Firsts, fünf Meter von mir entfernt, und breitet schwankend die Arme aus. Was befindet sich unter ihm? Kann er sich den Hals brechen, wenn er springt? Ich schließe die Augen, um mir den Außenbereich der Hütte ins Gedächtnis zu rufen. Der Anbau ist auf der gegenüberliegenden Seite, aber dort, wo Tobi balanciert, ist … der Schneehaufen? Der Schneehaufen, den ich aufgetürmt habe, als ich die Tür freischaufelte? Kann das sein? Doch, ja, so schätze ich ihn ein. Er sucht sich die ungefährlichste Stelle aus und spielt uns dann ein Theaterstück vor. Ich denke nicht, dass er springen will, aber für den Fall, dass er ausrutscht oder sein Flehen nicht erhört wird, hat er vorgesorgt. Doch ich kann mich auch irren und der Schneehaufen liegt weiter links. Schon dringt die Nässe des Eises kalt durch meine Jeans. Wenn ich hier nicht festfrieren will, muss ich ihn zur Umkehr bewegen – genau das, was er möchte. Er will im Mittelpunkt stehen, im Zentrum meines Daseins.
    »Was soll der Scheiß? Komm da runter, sofort! Spring in den Schnee oder komm runter, eins von beidem, aber entscheide dich jetzt!«
    »Warum bist du so gemein zu mir?«, schluchzt er und lässt sich auf den Dachfirst nieder, ohne sich zu mir umzudrehen. Wie ich trägt er keine Jacke und keine Handschuhe, um wenigstens ein bisschen wie ein echter Selbstmörder auszusehen. Der zieht sich vorher auch keine Winterjacke an. Die braucht man nicht, wenn man tot ist. »Warum? Linna, ich liebe dich doch.«
    »Oh Gott«, stöhne ich genervt. »Hör auf, so eine Scheiße zu labern.«
    »Das ist keine Scheiße! Ich liebe dich, Linna, schon seit sechs Jahren, ich liebe dich!«
    »Nein! Nein, das tust du nicht, du liebst vielleicht dich selbst, aber mich ganz sicher nicht!«, schreie ich ihn so laut an, dass er zusammenzuckt und beinahe den Halt verliert. Doch ich bin nicht willens, meinen Ton zu dämpfen. »Ist dir eigentlich klar, wie hinterhältig du dich verhalten hast? Das soll Liebe sein? Jeden Tag eine neue Psychobotschaft an die Wand zu schmieren und den Verdacht zu säen, ich sei es gewesen? Mich nachts im Schlaf zu befummeln? Mir die Haare abzuschneiden?«
    »Aber … aber … das hab ich doch für Maggie getan …«
    »Für Maggie!?« Ich kann nicht anders, ich muss näher kommen, er soll endlich mal Mumm zeigen und sich wenigstens umdrehen, um mir Auge in Auge zu begegnen. »Willst du mich verarschen?«
    »Nein! Nein, das will ich nicht. Maggie hat dich so

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