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Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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Falk kratzig, weshalb wir hier sind. »Wir müssen Brennholz holen. Die erfrieren uns sonst dadrinnen.«
    Ach ja, Maggie und Simon, in der Hütte, die gibt es ja auch noch. Und eine Sauna, denke ich benebelt. Wir haben eine Sauna. Allein der Gedanke, mich nackt in einen siebzig Grad heißen Raum zu setzen, lässt mich wohlig erschauern.
    »Scheiße«, flüstert Tobi und streckt seine rechte Hand aus, die er gerade aus seinem durchnässten Fäustling befreit hat, um den Geräteschuppen zu öffnen. »Oh nein …«
    Ich sage nichts, doch der wohlige Schauer verwandelt sich in ein kränkliches Frieren. Falk und Jules schweigen ebenfalls. Was sollen wir auch sagen? Gegen das Wetter sind wir machtlos. Dicke, pudrige Flocken tanzen vom Himmel, und ehe sie den Boden berühren, regt sich die Luft über uns. Mit unerbittlicher Schärfe fährt eine zornige Böe in unsere überhitzten Gesichter und bringt uns zum Blinzeln.
    »Wir müssen uns beeilen«, spricht Tobi aus, was jeder von uns denkt. Wir sollten zusehen, dass wir das Holz in die Hütte tragen, und zwar schnell. Benommen stolpern wir durch den schmalen Eingang in den Anbau, aber es ist bereits so dunkel geworden, dass ich eine Weile brauche, um zu realisieren, was bei den anderen bereits betroffenes Schweigen ausgelöst hat. Unser Brennholzvorrat ist lächerlich klein. Ich weiß nicht, wessen Fehler es ist, ob die Jungs das meiste in der Sauna verpulvert haben oder die Menge von vornherein schlecht kalkuliert war, aber das, was sich vor uns stapelt, reicht maximal für drei Tage. Bei dieser klirrenden Kälte, die der Sturm mit sich gebracht hat, vielleicht sogar nur für zwei.
    »Also keine Sauna.« Ich klinge restlos entmutigt. »Was ist eigentlich mit diesem schiefen Schuppen unter den Tannen? Ist dort noch Holz drin?«
    Tobi blickt abwesend an mir vorbei auf die Scheite, die sich nur noch einen knappen Meter hoch stapeln. »Keine Ahnung. Vielleicht. Weiß nicht, was da drin ist.« Er lallt wie ein Betrunkener. Bis jetzt hat er tapfer durchgehalten, doch nun habe ich Angst, er kippt ohnmächtig in den Schnee. Wir haben die ganze Zeit nichts gegessen und getrunken, sondern nur ein paar Bonbons gelutscht, die Falk in seiner Jacke gefunden hat.
    »Im Notfall nehmen wir den Schuppen selbst. Wir zerhauen ihn und verfeuern ihn. Ihr wisst gar nicht, womit man alles Feuer machen kann«, meint Falk selbstsicher und ich lasse mich dazu hinreißen, ihm zu glauben. Ja, Falk ist der Typ Robinson Crusoe, der es schafft, auch auf der wildesten Pazifikinsel einen Grillabend auszurichten. Solange er bei uns ist, sind wir geschützt. Das rede ich mir jedenfalls ein. Er mag unter fortgeschrittenem Alzheimer leiden, aber er weiß, wie man überlebt.
    Falk und Jules strecken ihre Arme aus und Tobi und ich laden ihnen die Scheite auf. Zweimal fallen sie Tobi aus den Händen, sodass ich ihm helfen muss. Er hat seine Finger nicht mehr unter Kontrolle und auch mir fällt es schwer, meine Bewegungen zu koordinieren. Als Falk und Jules nur noch schwankend das Gleichgewicht halten können, klemmen Tobi und ich uns noch ein paar Holzstücke unter die Arme und machen uns auf den Rückweg. Selbst in dem tunnelartigen Pfad, eingeschlossen zwischen weißen Wänden, ist das Schneetreiben so dicht, dass wir die Hütte vor uns kaum sehen können.
    Zurück in der Stube macht sich Falk ohne Pause daran, den Ofen zu befeuern. Maggie und Simon haben sich alles angezogen, was sie an wärmenden Sachen finden konnten, aber die Gasleitungen funktionieren und so hat Maggie uns eine heiße Suppe zubereitet, die dampfend auf dem Herd steht und wahrscheinlich einen verführerischen Duft verströmt. Ich muss mir auf die Lippe beißen, um nicht zu weinen, als langsam das Gefühl in meine Finger zurückkehrt.
    Zu müde und ausgebrannt, um mit Maggie und Simon zu sprechen oder uns gar zu bedanken, setzen wir uns an den Tisch, beginnen zu löffeln und verlieren dabei ebenso wenig Worte wie vorhin beim Arbeiten. Erst nach dem zweiten Teller sehe ich mich wieder in der Lage, Vokale und Konsonanten zu formen.
    »Simon, Saunaofen. Bitte.« Ich deute auf die Holzscheite. Wir haben so viele mitgebracht, dass der Korb sie nicht alle aufnehmen konnte und Falk die restlichen neben dem Ofen fallen lassen hat. Wir brauchen die Sauna, auch wenn unser Brennholzvorrat knapp bemessen ist. »Anmachen.« Es reicht nur für Gestammel, ganze Sätze bilde ich erst wieder, wenn mir warm geworden ist. Meine Organe fühlen sich an, als seien

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