Linna singt
die Anstrengung hält mich warm. Doch ich gönne mir keine Pause. Der Wind hat sich endgültig gelegt und der bleigraue Himmel senkt sich tief und ruhig über mich, aber es ist genau diese Stille, die mich in Alarmbereitschaft versetzt. Da braut sich etwas zusammen.
»Kommst du klar?«, ruft Tobi von drinnen. Ich spare mir eine Antwort; Reden verbraucht zu viel Energie. Meine Finger spüre ich schon nicht mehr. Doch ich höre mit meiner Arbeit erst auf, als ich den Schnee so weit zur Seite gehäuft habe, dass die Tür aufgehen müsste, obwohl auf den Holzdielen der Terrasse noch eine dünne Schicht Eis haftet.
»Probiert es mal!« Meine Stimme ist heiser vor Erschöpfung. Es knirscht und quietscht, als die Jungs sich gegen das schwere Holz stemmen, aber sie können die Tür Zentimeter für Zentimeter aufschieben. Sofort zwänge ich mich an ihnen vorbei ins Innere der Hütte und halte stöhnend meine Hände gegen den Ofen, doch er ist längst erkaltet.
»Nimm Luna«, rät Falk mir. »Ihr Fell ist warm.«
Ich schüttele den Kopf, ohne ihn anzusehen. Maggie hat sich beruhigt und macht sich am Herd zu schaffen, um uns ein Frühstück zu richten. Doch als sie den Wasserhahn aufdreht, knackt es nur dumpf. Irritiert dreht sie ihn zu und wieder auf. Nichts tut sich.
»Leitung eingefroren«, diagnostiziere ich knapp. »Draußen hat es mindestens minus zwanzig Grad und wir haben den Ofen ausgehen lassen. Ich hab heute früh noch mal nachgelegt, aber es hat wohl nicht gereicht.«
»Was machen wir denn jetzt? Wie soll ich Kaffee kochen? Wie sollen wir überhaupt etwas kochen und uns waschen und …« Maggies Ruhe ist dahin, schon liegen ihre Nerven wieder blank.
»Nimm erst mal Mineralwasser«, erwidert Jules geduldig. »Später holen wir Schnee und kochen ihn ab. Vielleicht kriegen wir die Leitung auch wieder aufgetaut.«
Erst als ich genauer über seine Worte nachdenke, wird mir bewusst, was der Wasserausfall bedeutet. Wenn die Leitung in der Küche eingefroren ist, ist auch die Leitung im Klo eingefroren. Keine Spülung mehr. Wir müssen auf das Plumpsklo neben dem Anbau gehen. Ich habe spontan keine Lust mehr, feste Nahrung zu mir zu nehmen, bis der Frühling ins Land gezogen ist. Wie konnten wir nur so sorglos sein und Flaschendrehen spielen, während der Schneesturm des Jahrzehnts über uns hinwegbrauste?
»Aber zuerst brauchen wir Brennholz.« Ich hole meine Handschuhe aus dem Zimmer und gehe wieder nach draußen zu den Jungs, die gerade versuchen, die am Boden liegende Schneeschippe freizuschaufeln. Nur ihr hölzerner Stil lugt hervor. Sie muss das Scheppern verursacht haben, das wir gestern Abend während des Spiels hörten. Wir hatten unsere Gedanken wirklich nicht beieinander.
Endlich kann Falk die Schippe unter ihrer Last hervorziehen. Er schlägt sie auf den Boden, um die letzten Eisbrocken von der metallenen Schaufel zu lösen, und fängt umgehend damit an, einen Weg in die Schneewände zu graben. Jules, Tobi und ich versuchen ihm, so gut es geht, mit den Händen zu helfen, während Simon sich darauf beschränkt, uns zwischen den Füßen herumzustehen und überflüssige Hinweise und Empfehlungen auszusprechen.
»Simon, bitte, wir schaffen das auch ohne Moderation«, mache ich meinem Ärger schließlich Luft und lehne mich kurz gegen die Schneewehe hinter mir. Meine Muskeln sind nur noch Pudding. Simon verstummt schlagartig, zieht die Nase kraus und verdrückt sich zu Maggie in die Küche.
Ohne seine Besserwissereien kommen wir wesentlich schneller voran. Wir ergeben ein gutes Team, das keine unnötigen Worte verliert und sich auch nicht von Hunger und Durst aufhalten lässt, und als wir gegen Nachmittag den Anbau erreicht haben, können wir alle vier kaum mehr stehen. Meine Wut auf Falk ist verraucht; ich bin zu kaputt, um zornig zu sein, obwohl er diesen schnellen Frieden nicht verdient hat. Aber das hier ist keine Situation, in der man sich derartige Fehden leisten kann. Tobi geht hustend in die Knie und wischt sich nachlässig mit dem Ärmel über seine laufende Nase. Falks Rotze ist sogar gefroren und in Jules’ Dreitagebart glitzern Eiskristalle. Mein Zopf ist von oben bis unten schneeverkrustet, er liegt noch schwerer als sonst auf meinem Rücken. Instinktiv streiche ich über meine Wangen, denn ich habe das Gefühl, dass Flammen auf ihnen lodern und meine Haut aufreißen. Als ich versuche, Luft zu holen, muss auch ich husten und würgen. Meine Kehle ist staubtrocken.
»Brennholz«, erinnert uns
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