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Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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oder liegen in ihren Betten. Nur Tobi sitzt in der Ecke auf seinem Handtuch, um die Hüfte hat er keines gewickelt. Auch ich habe nur eins dabei und breite es auf der mittleren Bank aus, um mich seufzend darauf niederzulassen.
    Unverkennbar neugierig rutscht Tobi näher, bis unsere Oberschenkel nur wenige Millimeter voneinander entfernt sind. Ein kurzer Blick meinerseits genügt, um zu erkennen, dass er ein typischer Vertreter der Generation blank rasiert ist. Seine eigenen Blicke jedoch fallen deutlich länger aus.
    Ich lasse meine Arme verschränkt auf meinen angezogenen Knien ruhen. Selbst in dieser Haltung hängt bei mir nichts, wenn ich mein Kreuz durchdrücke, und sie schützt vor allzu gründlichen Begutachtungen.
    »Du hast einen schönen Körper.«
    Diesen Satz höre ich nicht zum ersten Mal. Es rührt mich zwar, ihn von einem jungen Kerl wie Tobi zu hören und nicht von einem meiner üblichen Mittdreißiger, doch er löst nichts in mir aus. Tobias rückt noch ein Stückchen näher und drückt seine Stirn gegen meine Schulter, dann seine Lippen, weiche Lippen, sie küssen mich nicht, berühren nur meine warme, feuchte Haut.
    »Tobi, was in Gottes Namen tust du da?«
    Sofort zieht er seinen Kopf wieder zurück. Die Stelle, auf der seine Lippen lagen, prickelt leicht.
    »Magst du mich nicht?«
    Seine verwunderte Gegenfrage kommt mir so naiv vor, dass ich kopfschüttelnd auflache.
    »Ist das für dich so – wenn man sich mag und zusammen in der Sauna sitzt, muss man unweigerlich anfangen, am anderen herumzuknabbern? Würdest du das auch bei Falk und Jules und Simon machen?«
    »Vielleicht«, bekennt Tobi mit niedergeschlagenen Wimpern. Na, das ist ja mal ein Geständnis.
    »Bei Simon? Sicher?« Ich muss erneut lachen. Der Kleine hat es faustdick hinter den Ohren.
    »Na, weiß nicht. Eher nicht. Aber was sollen immer diese Schubladen? Wenn ich jemand mag, kann ich ihm doch nahe sein, oder nicht?«
    »Vorausgesetzt, der andere ist damit einverstanden. Mich hast du nicht um Erlaubnis gefragt, soweit ich mich entsinne«, weise ich ihn mit leiser Strenge zurecht. Ich fühle mich nicht belästigt, obwohl sein Schwanz deutlich sichtbar auf Halbmast steht, sondern eher erheitert. Mit derlei Offenbarungen hatte ich nicht gerechnet. Trotzdem spüre ich tief unten in meinem Bauch eine verhaltene Wut gären. Das Gerede der anderen muss in Tobi den Eindruck erweckt haben, dass ich leichte Beute bin und einem amourösen Erlebnis niemals abgeneigt. Und er hat ja recht, ich mag ihn und finde ihn sogar süß. Es könnte in Ordnung mit ihm sein, wahrscheinlich würde er mir die Regie überlassen und wir müssten vorher und nachher viel streicheln und kuscheln und schmusen, weil er gelesen hat, dass Frauen das schön finden (ich nicht, ich will danach meine Ruhe haben). Aber so einfach ist es dann doch nicht.
    Er geht wieder ein Stück auf Abstand und lugt unverkennbar beschämt zu mir herüber.
    »Tut mir leid, Linna. Ich dachte halt, du magst mich. Kommt nicht wieder vor.«
    Es liegt mir auf der Zunge zu sagen, dass ich ihn auch mag. Aber ich schlucke es herunter. Die schwelende Wut in meinem Bauch begrüßt diesen Verzicht und macht sich noch ein bisschen größer, um mir zu zeigen, dass es richtig war.
    »Ich bin heute sowieso impotent«, setze ich der angespannten Stille zwischen uns ein Ende, um die Stimmung zu entkrampfen.
    Tobi grinst erleichtert. »Ich wollte ja auch nur ein bisschen …«
    »Ja, klar, nur ein bisschen.« Diese »Nur ein bisschen« -Annäherungen kenne ich zu gut. »Und ich würde jetzt gerne ein bisschen saunieren, in aller Ruhe. Ohne Grapschen und ohne Sprechen. Okay?«
    »Okay«, nuschelt Tobi und verschwindet nach weiteren fünf Schweigeminuten, in denen wir auf das Knacken des Ofens und das Brausen des Sturms über uns lauschen, nach nebenan in die Badestube, wo ich ihn lautstark prusten höre, als er sich kaltes Wasser überkippt.
    Erst nachdem die Tür zum Flur ins Schloss gefallen ist, gehe ich ebenfalls hinüber in die Badestube. Die Jungs haben Schnee in die Wanne gelegt, ein Teil ist bereits geschmolzen, der Rest sieht aus wie Schaum, knirscht aber, als ich hineinsteige, und bringt meinen Puls augenblicklich zum Rasen. Doch ich weiß genau, dass ich auch jetzt nicht umkippen werde, obwohl meinem Kreislauf Höchstleistungen abgefordert werden. Wahrscheinlich bleibt mein Herz irgendwann einfach stehen, weil seine Zeit zu Ende ist, und vorher läuft es ohne Mucken durch, sodass jeder mir eine

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