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Linna singt

Linna singt

Titel: Linna singt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bettina Belitz
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sagenhafte Gesundheit attestiert. Es wird keine Anzeichen geben, keine Verdachtsmomente, ich werde umfallen und tot sein. Ein schöner, würdiger Abgang, denke ich, am liebsten wäre er mir im Ring, nach einem K.-o.-Schlag. Sieg, tot.
    Ich keuche auf, als ich mir kaltes Wasser über die Haare gieße, und sobald die Hitze aus meinem Körper weicht und einer pulsierenden Wärme den Weg bereitet, kehren die Gedanken von heute Nacht zurück, als hätten sie nur auf den richtigen Moment gewartet, mich zu umzingeln. Fast sehne ich mich nach unserer Plackerei zurück, die all das, was gestern geschehen ist, zur unbedeutenden Nebensache verkommen ließ. Doch jetzt haben wir die Kälte wieder nach draußen verbannt und mein Gehirn nimmt die Fäden des gestrigen Desasters erneut auf, um sie zu ähnlich wirren Geflechten zu spinnen, wie ich sie als Wolkenform am Himmel beobachtet habe.
    Während ich das kalte Wasser aus meinen Haaren wringe, traue ich mir plötzlich selbst nicht mehr über den Weg. Wäre das denn möglich – dass man sich eine solche Nacht einbildet, weil man sie sich wünscht? So sehr wünscht? Hatte ich mir sie denn gewünscht? Hatte ich mir nicht vorher schon einige Male ausgemalt, wie es sein könnte, mit Falk? Gab es da nicht diesen einen Morgen, an dem ich mich nach dem Frühstück noch einmal ins Bett legte und nur von ihm träumte, so echt und real, dass ich beim Aufwachen einen Moment lang glaubte, es sei wirklich geschehen?
    »So ein Quatsch, ich bin nicht verrückt«, schimpfe ich mich selbst aus, als ich wieder in meinem Zimmer bin und unter die Daunendecke krieche, wo ich bleiben will, bis mein Haar trocken ist. Für eine Weile döse ich ein, selbst zum Grübeln bin ich zu müde, doch als ich aufwache, weil über mir die Dachbalken knirschen, kann ich keinen Wimpernschlag mehr ruhig liegen bleiben. Sie sind also wieder oben. Wollen sie etwa proben? Warten sie auf mich? Reden sie über das, was gestern geschehen ist? Nun geht jemand die Treppe herunter und nähert sich meinem Zimmer, regelmäßige, vorsichtige Schritte, bloß nicht fallen oder stolpern.
    »Linna? Bist du wach?«, dringt Simons helle Stimme durch die Tür. Selbst sein Klopfen hat einen klaren, exakten Rhythmus. Tock-tocktock.
    »Was ist denn?«
    »Komm mal bitte zu uns nach oben, ich will etwas sagen.«
    Oh, er möchte eine Ansprache halten. Na dann. Vielleicht hat er eine Brennholz-Lager- und Verbrauchsanordnung zusammengestellt und einen Stundenplan, wer wann was zu tun hat. Doch als ich den Dachboden betrete, spüre ich sofort, dass die Stimmung gelöst ist, viel gelöster als gestern während des Spiels. Natürlich brennen das Feuer im Ofen und Teelichter, sogar eine Duftlampe hat Tobi entzündet, aber im Gegensatz zu gestern hat jemand Musik aufgelegt, ich erkenne Sade, es muss eine von Jules’ CDs sein.
    Ich muss unweigerlich an unsere zerfleischenden Streitereien um die richtige Songauswahl denken, nie konnten wir uns über die Sets einig werden, bis Simon eine überzeugende Lösung fand, die so simpel wie unorthodox war: Wir schichteten all unsere Lieblingsalben durcheinander auf einen Haufen und jeder musste sich erst ein paar Zahlen zwischen 1 und 20 aufschreiben und dann blind hineingreifen, um drei Alben herauszuziehen. Von diesen CDs ordneten wir unsere Ziffern per Zufall den Songs zu und schon hatten wir unser Set zusammengestellt. Es ging wüst querbeet durch alle erdenklichen Stilrichtungen, ein System war nicht zu erkennen, aber genau das war es, was unsere Konzerte unverwechselbar machte. Das Publikum wusste nie, womit es als Nächstes überrascht wurde. Die sanfteren Nummern stammten fast immer aus Jules’ Sammlung. Einmal haben wir sogar einen Song von Enigma gespielt, The Child in Us. Wir rechneten fest damit, ausgebuht zu werden, zumal es eine der unbekannteren Nummern ist, sehr esoterisch und ethnisch angehaucht, aber die Leute fanden es klasse. Maggie hatte ihn auch verdammt gut arrangiert, obwohl ein Großteil dann doch aus der Konserve kam, anders ging es nicht, auch weil Falk sich weigerte, in den Gregorianik-Teil einzustimmen. Er fand das schwul.
    Als ich meinen Part sang, ein fremdartiger, kehliger Gesang, musste ich an meine Großmutter denken, fühlte mich ihr nahe, ihr und ihrer ganzen Kultur, die ich bisher nicht kennenlernen durfte. Während dieses Songs wusste ich, dass ich irgendwann in ihre Heimat reisen würde, wo nichts den Blick aufhält und man erst dann als Mensch zählt und einen Namen

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