Liona Lix - Wer will schon einen Drachen?
vergessen!) und stolziert dann gemächlich zu seiner Mahlzeit. „Isst du nichts?“
„Ich esse nachher mit Liona“, lächelt Oktavia. „Ich hab sie eben mit einem Jungen zur Schule rübergehen sehen. Es ist schön, wenn sie Freunde findet. Ich warte auf sie.“
Kater Kalle deutet mit seinem Kopf zum brodelnden Kessel rüber. „Ist das da euer Abendessen?“
„Ach du lieber Besen, nein!“ Oktavia kichert und wird ein kleines bisschen rot. „Nein, nein, das ist nicht für Liona. Das ist … äh … nur so … äh … für mich. So nebenbei.“
Kater Kalle sieht sie misstrauisch an. Oktavia kichert? Sie wird rot, wie ihre weinroten Haare? Und jetzt guckt sie auch noch zu Boden und fummelt an ihren Schuhschnallen herum?
Kalle hört direkt einen Moment auf zu kauen. Er schnuppert nachdenklich zum Kessel rüber. Hätte er nur genauer hingesehen, was Oktavia da reingetan hat! Aber er kann ja nicht jedes Gebräu kontrollieren, das sie fabriziert.
Seine funkelnd grünen Katzenaugen schauen sie durchdringend an. „Ok-ta-vi-aaa?“
„Ja, Kalle?“ Oktavia bemüht sich, leicht und locker und hexenglockenhell und ganz und gar harmlos zu klingen.
Aber Kalle ist nicht von vorgestern. „Was GENAU blubbert da in dem Kessel?“
„Möchtest du noch etwas Nachtisch?“, versucht Oktavia abzulenken. „Ein wenig Schlagsahne vielleicht?“
Doch das macht Kalle nur noch misstrauischer. Schlagsahne? Wo Oktavia ihm sonst ständig mit gesunder Ernährung auf die Nerven geht? Und mit seiner nicht vorhandenen schlanken Linie, die ihrer Meinung nach wichtig für einen drahtigen Kater ist? Bloß weil sie in letzter Zeit schon ein paarmal fast vom Besen gekippt sind. (Was natürlich an Oktavias Fahrkünsten und nicht etwa an Kalles Gewicht lag!)
Kalles Augen werden kleine lauernde Schlitze. „Schlagsahne, eh? Ist heute vielleicht Weihnachten? Ostern? Walpurgisnacht?“
„Ähm – nein“, meint Oktavia und fängt ein wenig an zu schwitzen.
„Du hast doch irgendwas vor!“, zischt Kalle messerscharf zwischen seiner Sardellencreme hervor.
Und plötzlich erinnert er sich, was Oktavia beim Mischen der Zutaten mit zwei Fingern in die Luft gemalt hat.
„ MOOOMENT mal! Du hast doch nicht etwa wieder … so einen dämlichen … Liebeszauber angerührt?“ Oh, Kater Kalles Laune verdüstert sich augenblicklich.
Ein paar Sekunden lang schauen sich Oktavia und Kalle tief in die Augen. Im Hintergrund blubbert fröhlich der Kessel vor sich hin.
Oktavias Gesicht leuchtet jetzt so rot wie der Sonnenuntergang nach einem heißen Sommertag. Sie knetet verlegen die Hände und wendet ihr Gesicht ab. „Also, Kalle, also ehrlich, ich …“
Kalles Kateraugen sind schwarz-gelbe Schlitze.
Oktavia lässt die Schultern hängen und sieht schuldbewusst aus, wie eine Maus, die beim Stibitzen von Katzenkaviarpaste erwischt worden ist.
„Ich …, ich…“, stottert sie hilflos. „Ehrlich, Kalle! Wenn wir noch jemanden im Haus hätten, wäre das doch keine Konkurrenz für dich. Ihr könntet euch vielleicht sogar anfreunden, oder?“
Oktavia sieht Kalle flehend an.
Als Antwort macht Kalle nur einen Buckel und faucht. „Einen Mann im Haus! Als ob wir nicht schon genug Unruhe hätten! Nein! So was kommt mir nicht ins Leben. Basta!“
Und damit Oktavia auch ja sieht, wie ernst ihm das ist, stolziert er hoch erhobenen Hauptes raus aus der Küche und rein ins Wohnzimmer.
Das wird ja immer bunter! Pah, soll Oktavia doch ihre Sahne selber schlecken!
Kalle springt auf seinen Schreibtisch, starrt eine Weile sinnend aus dem Fenster und tut dann, was ein gebildeter Kater tut, wenn er versucht, seine Gedanken zu sortieren. Er kramt sein Tagebuch aus der Schublade und fängt an zu schreiben.
Das leise Seufzen von Oktavia aus der Küche hört er schon gar nicht mehr.
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DIENSTAG
Tage im neuen Haus: zwölf
Erschreckt:
- zwei Tauben,
- vierundvierzig Eichhörnchen,
- drei neugierige Spaziergänger (freundliche Grimasse genügte, hehehe)
Verschluckt:
- vierzehn fette Fliegen (dreizehn davon unabsichtlich – würg),
- ’ne Menge Luft, weil ich nach dem Abendessen eben vor Empörung etwas hektisch geatmet hab, was kein Wunder war,
- neun saftige Mäuse. ( RÜLPS – Tschuldigung! Die dummen Nagetierchen hier in der Gegend haben anscheinend seit Jahren keine Katze mehr zu Gesicht bekommen. Man braucht nur das Maul zu öffnen, freundlich zu lächeln, dabei ein wenighirnverbranntes Zuckerzeug zu säuseln, und schon drängeln sie sich
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