Lisa Kleypas
dem
Gehäuse einer kaputten Taschenuhr. Holly reckte sich auf die Zehenspitzen und
spähte durch eines der winzigen Fenster in das Häuschen hinein.
Maggie trat
hinter dem Verkaufstresen hervor und näherte sich dem Mädchen. Ihr entging
nicht, wie sich der Rücken der Kleinen abwehrend versteifte.
»Weißt du,
was das ist?«, fragte Maggie sanft. Holly schüttelte den Kopf, ohne sie
anzusehen.
»Die
meisten Leute glauben, das sei ein Puppenhaus. Aber das stimmt nicht. Das ist
das Haus einer Fee.«
Jetzt
wandte Holly sich ihr zu und musterte sie gründlich von unten bis oben, von
den Turnschuhen bis hinauf zu Maggies roten Locken.
Überrascht
stellte Maggie fest, wie sie auf die Kleine reagierte: mit einem plötzlich
aufwallenden Gefühl von Wärme und Zärtlichkeit. Der zerbrechliche Ernst dieses Kindes, das
nicht mehr darauf vertrauen konnte, dass irgendetwas in seinem Leben Bestand
haben würde, berührte sie zutiefst. Gleichzeitig spürte sie, dass Holly
trotzdem immer noch ein Kind war und damit offen für Dinge, die etwas Magisches
an sich hatten.
»Die Fee,
die in diesem Haus lebt, ist tagsüber nicht da«, erklärte Maggie. »Aber
die Nächte verbringt sie darin. Ich bin sicher, sie hätte nichts dagegen, wenn
du dir ihr Häuschen von innen anschaust. Möchtest du?«
Holly
nickte.
Vorsichtig
löste Maggie den Verschluss an der Seite des Häuschens und klappte die ganze
Front auf. Dahinter lagen drei kleine möblierte Zimmer mit einem Bettehen aus
Zweigen ... einer vergoldeten Espressotasse, die als Badewanne diente ...
einem Tisch, der die Form eines Pilzes hatte ... und einem Stuhl aus einem
Weinkorken.
Maggie
freute sich zu sehen, wie Holly zögerlich begann zu lächeln. Die Zahnlücke im
Unterkiefer, die sie dabei zeigte, machte die Kleine nur noch liebenswerter.
»Die Fee
hat übrigens keinen Namen«, vertraute Maggie dem Kind an und schloss das
Häuschen wieder. »Keinen menschlichen Namen, meine ich. Nur einen Feennamen,
den natürlich kein Mensch aussprechen kann. Ich überlege schon ewig, wie ich
sie nennen soll. Wenn mir der richtige Name für sie eingefallen ist, schreibe
ich ihn auf die Eingangstür. Vielleicht nenne ich sie Lavender. Oder Rose. Was
meinst du, gefällt dir einer dieser Namen?«
Holly
schüttelte den Kopf und biss sich auf die Unterlippe, während sie nachdenklich
das Häuschen musterte.
»Wenn dir
ein passender Name einfällt«, fuhr Maggie fort, »dann kannst du ihn mir
aufschreiben.«
Im selben
Moment gesellte sich Hollys Onkel zu ihnen und legte dem Mädchen beschützend
die Hand auf die schmale Schulter. »Alles in Ordnung, Holly?«
Seine
Stimme hatte einen reizvoll tiefen Klang. Er sprach langsam und beruhigend. In
dem Blick, den er Maggie zuwarf, lag jedoch eine leise Warnung.
Sie trat
unwillkürlich einen Schritt zurück, als sie die unmissverständliche Botschaft
des fast zwei Meter großen Mannes empfing.
Mark Nolan
war nicht im klassischen Sinne gut aussehend, aber seine markanten
Gesichtszüge und der dunkle, attraktive Gesamteindruck machten das mehr als
wett. Auf seiner Wange befand sich eine kleine halbmondförmige Narbe, die im
Licht, das durch das Schaufenster hereinfiel, ein wenig silbrig schimmerte.
Diese Narbe verlieh ihm eine ansprechende Spur von Härte. Und dann die Augen
... Sie leuchteten in einem seltenen Blaugrün, wie es das Meer auf
Reiseprospekten von tropischen Inseln hatte. Er wirkte irgendwie gefährlich,
auch wenn Maggie nicht hätte sagen können, warum. Aber selbst wenn: Er war ein
Mann, auf den man sich gerne einlassen würde, auch wenn es sich am Ende als
Fehler herausstellen würde ...
Maggie
brachte ein neutrales Lächeln zustande. »Hallo, ich bin Maggie Collins. Der
Laden gehört mir.«
Nolan
machte sich nicht die Mühe, sich vorzustellen. Da er wohl bemerkte, wie groß
das Interesse seiner Nichte an dem Feenhaus war, fragte er: »Ist das zu
verkaufen?«
»Leider
nein. Das Häuschen gehört zur Ladendekoration.« Maggie schaute kurz zu
Holly hinunter und fügte hinzu: »Diese Häuschen sind leicht zu basteln. Wenn
Sie mir aufzeichnen, wie Sie es gern hätten, könnte ich Ihnen helfen, selbst
eines zu bauen.«
Sie ließ
sich in die Hocke sinken und schaute dem Mädchen direkt
ins Gesicht. »Man weiß allerdings nie, ob auch wirklich eine Fee einziehen
wird. Da hilft nur warten und hoffen.«
»Ich glaube
nicht ...«, setzte Mark Nolan an, unterbrach sich aber sofort, als Holly
lächelnd die Hand nach einem der langen
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