Lisa
eine Minute vorher zum Luftschnappen nach draußen gegangen ist. Eine warme, stille, sternenklare Nacht. Er sieht die Bande ankommen, sieht, wie sie aussteigen, sieht, wie sie sich umschauen, nach oben schauen, ihn nicht bemerken, weil er hinter seinen Pflanzen verborgen ist. Wirklich ein Dschungel, was der da alle Jahre im Frühjahr raussetzt.
Er begreift sofort, dass hier Schlechtigkeiten im Gange sind, weil die Wagenplakette der Ankömmlinge abgedeckt ist. Er sagt, es hat ein Sack darauf gehangen, aber ich argwöhne, da hat er zuviel Aktenzeichen XY geschaut oder eine Sommerschorle zuviel geschlabbert, denn welcher Gauner geht denn mit einem Sack über der Nummerntafel auf Diebestour.
Die ganze Gruppe Vermummter verschwindet in unserem Haus. Der alte Mann sitzt in Panik da und kann sich nicht bewegen. Hat Angst, dass sie zu ihm kommen. Tun sie jedoch nicht. Weil sie, wie wir wissen, mein Schloss einladender gefunden haben. Er sitzt da und tut nichts. Nach einiger Zeit sieht er sie Sachen aus dem Haus schleppen und wegfahren. Er geht wieder rein, nimmt seine Tabletten und legt sich ins Bett.
Wieso hat er nicht die Polizei gerufen? Genau das habe ich ihn gefragt. Weiß er nicht, sagt er. Kann er sich nicht erklären. Er war wie im Schock, in einer Art Schocktrance, wie unter Hypnose.
Wieso hat er es mir nicht hinterher erzählt? Habe ich ihn als nächstes gefragt. Er versteht es selbst nicht, es hat wohl mit Scham zu tun. Weil er feige im Busch gesessen ist und sich nicht gerührt hat. Das müsst ihr euch einmal vorstellen,der hätte sich nur hineinschleichen und zum Hörer greifen müssen.
Sekunde. Ah – hm. Gut. Ich bin auf Wein umgestiegen, erwähnte ich das bereits? Mit Whisky säuft ihr euch auf Dauer das Hirn weg. Und nein, Koks ist diesbezüglich nicht so fatal, Whisky finde ich viel schlimmer. Na ja, vielleicht merke ich es nur selber nicht und bin hirnmäßig schon völlig eingegammelt. Apropos, gleich wieder da.
…
Ich habe es nicht mehr ausgehalten. Die Frau, schreie ich ihn an, die Frau, die Frau, die Frau! Wie hat sie ausgesehen?
Er: Welche Frau? Da war keine Frau!
Ich: Da war eine Frau!
Er: Ich habe keine Frau gesehen!
Spätestens das ist der Punkt, an dem ich ihn würgen könnte, den alten Herrn, wie er so dasteht mit seinen Speiseresten auf der Krawatte und mit den eingesunkenen Schultern und den Händen am verschlissenen Hosenträger und seinem belemmerten gelben Blick. Er beharrt darauf, er hat keine Frau gesehen. Gut, sage ich, was haben Sie denn gesehen. Vermummte, sagt er. Ich wieder kurz vorm Tobsuchtsanfall. Was Vermummte, wie Vermummte, wieso Vermummte? Die hatten so Schals um den Kopf, sagt er. Schals um den Kopf, wiederhole ich. Eigentlich sah es mehr wie ein Verband aus, sagt er. Was, sage ich, die sind mit einem Haufen Verbandsmaterial um den Kopf in unser Haus marschiert? Nicht direkt, sagt er, aber irgendwie doch.
Da musste ich mich erst einmal hinsetzen. Auf die Motorhaube irgendeines Autos. Damit rückt der Mann nach zwei Jahren heraus. Ich habe auf offener Straße einen Lachanfall gekriegt. Und er steht vor mir und sieht mich unsicheran, fast ein wenig verärgert, und sagt etwas wie: Das ist eigentlich, na ja, und wie jetzt, und hm, ich finde das eigentlich nicht, hüstelhüstel, die Komik, also es wäre mir entgangen, und so weiter.
Ich reiße mich zusammen, bedanke mich höflich, frage ihn, ob er zu Hause erreichbar ist. Zeigt er mir stolz sein Seniorenhandy. Das ist ein Gerät! Ihr könnt grünen oder grauen oder roten Star im Endstadium haben und werdet trotzdem noch die Tasten treffen. Er gibt mir die Nummer, ich bedanke mich ein letztes Mal und verabschiede mich.
Auf dem Weg ins Büro denke ich nach. Bin mit dem Nachdenken noch nicht fertig, als ich ankomme, deshalb stelle ich mich unten ins Café und lasse mir von Langheinrich einen Espresso servieren. Mit Cognac. Dann rufe ich Hilgert an. Ich sehe direkt durchs Telefon, wie es ihn aus dem Sessel fetzt und er senkrecht dasteht. Zehn Minuten darauf ist er bei mir und hört sich die Geschichte an.
Hier zieht es noch immer. Sekunde, muss mal kontrollieren, ob ich ein Fenster übersehen habe.
…
Nichts gefunden. Mir ist es egal, aber Alexander jammert dauernd wegen der Mücken. Und es stimmt, auf mich gehen sie nicht los, während er jeden Morgen ärger aussieht und ich kein Insecticum mehr habe.
Da fällt mir ein, mit Mückencreme hat mal Nadja, die andere seltsame Freundin von Katha, ein Kunstprojekt
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