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Literaturgeschichte der Bundesrepublik Deutschland

Literaturgeschichte der Bundesrepublik Deutschland

Titel: Literaturgeschichte der Bundesrepublik Deutschland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: von Dirk Petersdorff
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Zugehörigkeit zur Waffen-SS in der letzten Phase des Zweiten Weltkriegs ging. Über solche Auseinandersetzungen hat man fast vergessen, welche ästhetische Vitalität am Anfang seines Werkes stand. «Die Blechtrommel» enthält frappierende, sinnlich starke Bilder, die den Leser nicht mehr loslassen. Da sind die weiten Röcke der Großmutter des Ich-Erzählers, unter die man sich flüchten kann; Oskar lässt Brausepulver im Bauchnabel seiner Geliebten aufschäumen; ein Pferdekopf wird aus dem Meer gezogen, in dem Aale sich drehen und winden. «Da ist kein Detail, auf das es dem Erzähler nicht ankäme», stellte Enzensberger in seinem großen Lobgesang fest.
    Grass erlebte die Kindheit und Jugend in Danzig, das seit dem Ersten Weltkrieg dem Völkerbund unterstand. Hier trafen verschiedene Kulturen aufeinander, Deutsche und Polen, Juden und Kaschuben. 1939 wurde die Stadt zum Ausgangspunkt des Zweiten Weltkriegs. Die deutsche Tradition Danzigs, in der Grass groß wurde, endete mit diesem Krieg. Grass unternimmt mit seinen frühen Büchern eine Rettung dieser verlorenen Heimat in die Literatur. Das ist ein Grund ihrer Vitalität. Hinzukommt eine starke Phantasietätigkeit, die den jungen Grass zuerst in den Bereich der Bildhauerei führt und später für die visuelle Eindringlichkeit der «Blechtrommel» sorgt. Eine weitere Kraftquelle ist zu nennen: Grass zählt zu jenem in der Moderne immer wieder auftretenden Autorentyp, der ursprünglich religiös erzogen wurde, diesen Glauben später nicht mehr praktizierte, dafür aber die Kunst religiös auflud: Sie musste nun von Schuld erlösen. «Die Blechtrommel» ist angefüllt mit religiöser Metaphorik. Wenn ein Falter beschrieben wird, der bei Oskar Matzeraths Geburt zwei «Sechzig-Watt-Glühbirnen» umflattert, dann scheint es, «als wäre das Zwiegespräch zwischen Falter und Glühbirne in jedem Fall des Falters letzte Beichte und nach jener Art von Absolution, die Glühbirnen austeilen, keine Gelegenheit mehr für Sünde und Schwärmerei»; eine solche Schilderung darf man eigenwillig nennen. Wenn dann noch hinzugefügt wird: «Der Falter trommelte», ist die Beziehung zum Ich-Erzähler und Protagonisten hergestellt, der in der Kunst des Trommelns Befreiung aus der Bedrängnis der Welt findet.
    Dieser Ich-Erzähler, Oskar Matzerath, ist eine merkwürdige Figur. Er schildert rückblickend als knapp Dreißigjähriger sein Leben. Zum Zeitpunkt des Erzählens ist er Insasse einer Heil- und Pflegeanstalt, was ihm nicht unwillkommen ist; die angekündigte Entlassung sieht er als Bedrohung an. Er gehört, wie er den Lesern erklärt, «zu den hellhörigen Säuglingen, deren geistige Entwicklung schon bei der Geburt abgeschlossen ist». So versteht er, was seine Mutter und sein Vater direkt nach seiner Geburt über seine Zukunft sagen, und kann ihre Vorstellungen gegeneinander abwägen. Im Alter von drei Jahren beschließt er, seine körperliche Entwicklung einzustellen, und bleibt zwergwüchsig. Damit wird die Geschichte eines Kindes erzählt, das auch, als es älter ist, noch für ein Kind gehalten wird, obwohl es viel mehr sieht und begreift als ein Kind. Diese doppelte Perspektive wird noch dadurch erweitert, dass der rückblickende Erzähler wiederum mehr weiß als das Kind Oskar und dieses Wissen in die Lebenserzählung einfließen lässt. Er erzählt in der Ich-Form, wechselt aber immer wieder in die Er-Form und betrachtet Oskar damit von außen.
    Was gewinnt man mit dieser nicht ganz einfachen Konstruktion? Zunächst einen Blick von unten, der voller Neugier und von Konventionen ungehemmt die Erwachsenenwelt erfasst. Oskar kann demaskieren und enttarnen, wie es nur ein Kind, das die Regeln der Welt noch nicht gelernt hat, vermag. Er greift aber auch in Zusammenhänge ein, und dies vor allem mit seiner Trommel. Dabei ist eine der berühmtesten Szenen des Romans entstanden. Oskar begibt sich mit seiner Trommel unter eine Tribüne, auf der eine Kundgebung der Nationalsozialisten stattfindet. In die Musik des NS-Spielmannszuges fällt Oskar ein, steuert sie um:
    Die Trommel lag mir schon maßgerecht. Himmlisch locker ließ ich die Knüppel in meinen Händen spielen und legte mit Zärtlichkeit in den Handgelenken einen kunstreichen, heiteren Walzertakt auf mein Blech, den ich immer eindringlicher, Wien und die Donau beschwörend, laut werden ließ, bis oben die erste und zweite Landsknechttrommel an meinem Walzer Gefallen fand, auch Flachtrommeln der älteren Burschen mehr

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