Literaturgeschichte der USA
Auserwählung und Vorbildwirkung. Winthrops
Model
ist ein frühes typisches Beispiel für die homiletische Prosa, diejenige Predigtliteratur, die das weitere koloniale, puritanische Zeitalter Nordamerikas sehr stark geprägt hat. Neben dieser Predigtliteratur zählen Tagebücher bzw. «Journals» einflussreicher Kolonisten zu den wichtigsten Überlieferungen literarischer Produktion in Neuengland. So finden wir im
Journal of John Winthrop
(1630–1649), das in tagebuchartigen Einträgen die Entwicklung der jungen Kolonie dokumentiert und kommentiert, z.B. Berichte über die Auseinandersetzungen mit Roger Williams und Anne Hutchinson.
Wichtige Proponenten der puritanischen Idee in Neuengland waren drei Generationen der Familie Mather.
Richard Mather
(1596–1669) war einer der Gründerväter der Massachusetts Bay Colony. Bereits in England wurde er vom Bischof der Anglikanischen Kirche aufgrund seiner unkonventionellen religiösen Ansichten seines Amtes als Priester enthoben. Aus diesem Grund wanderte Richard Mather 1635 nach Amerika aus und wurde zum einflussreichsten Priester der neu gegründeten Massachusetts Bay Colony. Viele Details seines Lebens können wir seinem
Journal
entnehmen. Neben Übersetzungen der Psalmenin seinem
Bay Psalm Book
(1640) engagierte er sich in innerkirchlichen Disputen über die Frage des Rechts der Kindertaufe. Gerade in der Frage, ob Kinder von nicht zur Kommunion zugelassenen Kongregationsmitgliedern die Taufe empfangen dürfen, vertrat hingegen sein Sohn Increase Mather eine gegensätzliche, viel liberalere Position.
Increase Mather
(1639–1723) studierte in Harvard und Europa und war während des puritanischen Interregnums (1649–1660) als Prediger in England tätig. Infolge der Restauration der Monarchie musste er jedoch das Land verlassen und nach Amerika zurückkehren. In Massachusetts wurde er schließlich Präsident der neugegründeten Harvard University und äußerte sich in einer Reihe von Schriften zu politischen Aspekten der Kolonie. In diesen Texten, wie auch in seinen naturwissenschaftlichen Schriften, stand stets der Lobpreis göttlicher Schöpfung im Vordergrund. Besonders auffällig wird diese Logik in seinen Traktaten über Kometen, aber auch in seinen Abhandlungen zum Krieg gegen die Indianer, den er als Allegorie eines Kampfes zwischen Indianern als Mächten des Teufels und den weißen Siedlern als Repräsentanten des Guten deutet.
Auch
Cotton Mather
(1663–1728), der Sohn von Increase und Enkel von Richard Mather, vertrat in dritter Generation diese dualistische Weltsicht in seinen Werken. In
The Wonders of the Invisible World
(1693) impliziert Cotton Mather dieses puritanische Sendungsbewusstsein, wenn er schreibt: «The New-Englanders are a People of God settled in those, which were once the Devil’s Territories.»[ 10 ] In seinem Hauptwerk
Magnalia Christi Americana
(1702), einer Geschichte Neuenglands, werden die Taten der Siedler als Krieg Gottes gegen Ureinwohner und Andersgläubige bezeichnet. Cotton Mather äußert sich auch ausführlich über die Hexenprozesse von Salem – eine düstere Episode der frühen Geschichte Neuenglands – in deren Rahmen mehrere Personen der Hexerei angeklagt und vierzehn Frauen und fünf Männer zum Tod durch den Strang verurteilt wurden.
Cotton Mather war selbst an den Gerichtsverhandlungen nicht aktiv beteiligt, sprach sich aber nicht dezidiert gegen dieVerurteilungen aus. Sein Vater Increase bezieht in Traktaten zu den Hexenprozessen kritisch Stellung, wobei er die Urteilsfindung mit Hilfe der sogenannten spectral evidence in Frage stellt. Hierbei wird die Tatsache, dass eine Person als Geist («specter») jemandem in einem Traum oder einer Vision als Hexe erschienen ist, als Beweis für deren Hexenhaftigkeit herangezogen. So beschreibt Cotton Mather dieses Phänomen anhand von Martha Carrier, die angeblich schreckliche Hexereien begangen und physische Gewalt auf andere Personen ausgeübt hatte: «…Martha Carrier, or her Shape, that grievously tormented them, by Biting, Pricking, Pinching or Choaking of them.»[ 11 ] («…Martha Carrier, oder zumindest ihre Gestalt, die sie schmerzlich quälte, indem sie sie biss, auf sie einstach, sie zwickte oder sie würgte.»)[ 12 ]
Wenige Jahre nach den Verurteilungen und Exekutionen wurden diese Geschehnisse generell als Irrwege erachtet. Wie sehr aber die Hexenprozesse von Salem im kollektiven Gedächtnis der USA verankert sind, zeigt z.B. Arthur Millers Theaterstück
The
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