Literaturgeschichte der USA
Prädestination wie das Ausgeliefertsein des Menschen in der Hand Gottes mit aufklärerischem Gedankengut des Philosophen John Locke. Wie sehr Edwards John Lockes Theorien aus
An Essay Concerning Human Understanding
(1690) verpflichtet war, zeigt z.B. Edwards Bericht über seine religiöse Erweckung als Jugendlicher in seiner «Personal Narrative»:
I walked abroad alone, in a solitary place in my father’s pasture, for contemplation. And as I was […] looking up on the sky and clouds, there came into my mind so sweet a sense of the glorious majesty and grace of God […] I seemed to see them both in a sweet conjunction; majesty and meekness joined together […] After this my sense of divine things gradually increased […] and had more of that inward sweetness. The appearance of every thing was altered; there seemed to be, as it were, a calm, sweet cast, or appearance of divine glory, in almost every thing.[ 25 ]
Ich ging alleine an einem einsamen Platz im Garten meines Vaters spazieren, um nachzudenken. Und […] als ich hinauf zum Himmel und den Wolken schaute, da erfüllte meinen Geist das süße Wissen um die prächtige Majestät und Gnade Gottes, […] ich schien sie beide in einer wundervollen Einheit zu erkennen; Majestät und Sanftmut zusammen […] Danach erweiterte sich allmählich mein Sinn für die göttlichen Dinge […] und hatte mehr von dieser inneren Süße. Die Erscheinung aller Dinge war verändert; es schien, als ob beinahe alles mit dieser Ruhe und Süße erfüllt sei oder dem Anschein göttlicher Herrlichkeit.[ 26 ]
Sinneseindrücke sind hier mit religiöser Einsicht auf das Engste verknüpft. Die scheinbar objektive Welt der Sinne wird in der meditativen Betrachtung des Gläubigen Edwards verändert. Im Akt der Verinnerlichung wird der Schein der Dinge in ein Lob auf Gott verwandelt. Ein Großteil von Edwards Texten behandelt Aspekte des meditativen, veranschaulichten Glaubens, der sich in mystischer Ergriffenheit manifestieren kann.
Wie stark noch in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts die Literatur Neuenglands von religiösen Ideen geprägt war, zeigt sich auch im Werk der frühesten afro-amerikanischen Lyrikerin,
Phillis Wheatley
(1753–1784). Anfang der 1750er Jahre in Westafrika geboren, wurde Phillis auf einem Sklavenschiff nach Amerika gebracht und im Alter von acht Jahren von der Familie Wheatley aus Boston als Haussklavin gekauft. Die liberal gesinnten Wheatleys erkannten die große Begabung des Mädchens und ließen ihr eine Ausbildung zukommen, die selbst die Standards für den Unterricht weißer Mädchen dieses Zeitalters übertraf. 1773 erschien in London ihre Gedichtsammlung
Poems on Various Subjects
, die als erste Publikation einer afro-amerikanischen Autorin gilt. Problematisch war hierbei die fast groteske Zurschaustellung von Wheatley als Exotikum in den gebildeten Zirkeln ihrer Zeit. Für die Publikation ihres Gedichtbandes musste eine Art Prüfgutachten durch eine Kommission erstellt werden, die Zweifel an Wheatleys Autorenschaft auszuräumen hatte.
Obwohl Wheatley ihre afrikanische Herkunft nicht vordergründig ins Zentrum ihrer Gedichte stellt, kommt dieses Thema dennoch immer wieder an die Oberfläche ihrer Texte. In ihrem Gedicht «On Being Brought from Africa to America» (1773) zeigt sich in unterschwelliger Anklage die Ambivalenz ihrer eigenen Identität, die zwischen «heidnischen» Wurzeln und christlicher Erlösungsphilosophie eine paradoxe Position einnimmt.
‘T was mercy brought me from my Pagan land,
Taught my benighted soul to understand
That there’s a God, that there’s a Saviour too:
Once I redemption neither sought nor knew.
Some view our sable race with scornful eye,
«Their colour is a diabolic die.»
Remember, Christians, Negroes, black as Cain,
May be refin’d, and join th’ angelic train.[ 27 ]
Die Gnade brachte mich vom Heidenland,
Sie lehrte meine nächtlich-dumpfe Seele,
Dass es einen Gott gibt und einen Heiland auch.
Weder kannte noch suchte ich vormals die Erlösung.
Manche blicken auf unsere schwarze Rasse hasserfüllt:
«Ihre Farbe ist ein teuflisches Stempelzeichen!»
Doch erinnert euch, ihr Christen, Afrikaner schwarz wie Kain,
Können geläutert sein und sich in die Schar der Engel einreihen![ 28 ]
Bemerkenswert ist, wie Wheatley hier einen doppelzüngigen Diskurs spricht, der einerseits typisch für eine Minderheitenstimme die dominierende Sprache der Unterdrücker spricht («‘T was mercy brought me
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