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Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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machen?«
    Ich nickte. Bevor ich heute Morgen mit verklebten Augen losgetrottet war, hatte ich mir noch ein Erdnussbutter-Marmelade-Sandwich gemacht. Ich hatte auch ein paar mit Schokolade überzogene Espressobohnen mit drauf gelegt, was mir zu dem Zeitpunkt wie eine gute Idee erschienen war, auch wenn ich es später wahrscheinlich bereuen würde.
    »Ich dachte nämlich, ich geh vielleicht rüber zum Civic Center zu den Besetzern.«
    »Ist da schon wieder was los?« Mittlerweile schien es fast ständig irgendwo eine Besetzung zu geben, so als ob man jetzt immer, wenn man von was angefressen war, einfach ein paar Zelte auf einem öffentlichen Platz aufschlug. Manchmal war es nur ein harter Kern von Leuten, manchmal waren es auch richtig viele, aber irgendwie hatte ich den Eindruck, dass Nachrichtenbilder von pfefferspraywütigen Bullen in Darth-Vader-Anzügen, die mit chemischen Waffen gegen weinende, sich übergebende Demonstranten ins Feld zogen, niemanden mehr richtig schreckten. Natürlich fühlte ich mit den Opfern – ich hatte selbst schon meine Freifahrt im Scoville-Express gehabt – , aber ich empfand einfach nicht mehr dieselbe Entrüstung wie noch vor ein paar Jahren.
    Liam machte große Augen, als könnte er es nicht fassen, dass jemand so unbeschreiblich Cooles wie ich nicht über alles Bescheid wusste, was auf der Welt gerade vorging. Aber ich hatte die Leute immer gehasst, die zu allem »Ja klar, weiß ich« sagten, selbst wenn jeder merken musste, dass sie logen. Die Art von Leuten, die nie irgendwas zum ersten Mal taten. Wenn ich nicht aufpasste, würde mich Liam noch zu so jemandem machen.
    »Es ist der Wahnsinn, yo! Ein paar Anons sind mal so richtig angepisst von allem, was im Darknet so rauskam, und wollen jetzt Zyz drankriegen.« Er machte eine bedrohliche Roboterstimme nach. »Wir sind Anonymous. Wir sind Legion. Wir vergessen nicht. Wir vergeben nicht. Rechnet mit uns.«
    Ich verzog das Gesicht. Früher war Anonymous, der Stamm von Internetbewohnern, der wegen seiner gewagten Denial-of-Service-Attacken bekannt geworden war, noch in aller Munde gewesen. Dann waren Botnets immer billiger geworden, jeder konnte zum DoS -Terrorist werden, und bald darauf kamen tonnenweise dämliche Hollywoodstreifen raus, in denen die Guten oder die Bösen oder die Killer oder die Kiffer immer mit Guy-Fawkes-Masken rumrannten. Und, na ja … Seitdem war das Thema einfach ausgelutscht. Natürlich hingen immer noch ein paar echte Anons auf 4chan oder sonst wo rum, durchgeknallter, als sich Hollywood je zu zeigen trauen würde; doch das öffentliche Bild von Anonymous war heute mehr denn je eine Karikatur. Und was »Wir sind Legion« betraf: Das war mittlerweile der Refrain eines so abscheulichen Sommerhits, dass man sich, wenn er zufällig lief, das Ohr am liebsten mit einem Eispickel bearbeitet hätte. Alles Bedrohliche, das der Satz mal ausgedrückt haben mochte, wurde heute dadurch kaputtgemacht, dass er zum zeitgemäßen Nachfahren des Pop Songs Macarena oder des Ententanzes geworden war.
    »Da campen also ein paar Anons?«
    »Nein, Mann – die haben zwar damit angefangen, aber mittlerweile ist da einfach jeder. Es ist echt riesig. Viele Studenten, auch ein paar Kids von der Highschool, die Schule schwänzen. Lehrer auch! Sogar Eltern.«
    Ich wühlte in meinem Rucksack nach dem Sandwich und steckte es ein. »Also gut«, meinte ich. »Hast mich überzeugt.« Vielleicht waren die Darknet-Docs nicht auf den Titelseiten; aber offenbar gab es einen Haufen Leute, die dank ihnen protestieren gingen, mehr oder weniger. Selbst wenn das alles war, was bei der Sache rauskam, war ich zufrieden.
    »Wir müssen aber keine Masken tragen, oder?« Diese V-w ie-Vendetta -Masken waren sogar noch ausgelutschter. Außerdem war das Letzte, worauf ich jetzt Lust hatte, ohne peripheres Sichtfeld durch eine unberechenbare Menschenmenge zu laufen.
    »Ach was«, sagte Liam. »Die hier sind noch viel besser.« Er präsentierte mir ein paar alte, schwarze Kopftücher und schüttelte eins auf. Es war aus einfacher Baumwolle und hatte ein Guy-Fawkes-Gesicht in der Mitte. »Pass auf.« Er faltete es diagonal zu einem großen Dreieck und band es sich um den Hals, wie ein Cowboy. Dann zog er es auf Bankräuberart vors Gesicht, und so, wie er es gefaltet hatte, war der untere Teil seines Gesichts nun das von Guy Fawkes. Dann nahm er es wieder ab, fing von vorn an und machte so lange mit dem Tuch und seiner Baseballkappe rum, bis das Tuch sein

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