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Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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wieder.
    Weil die Dinge sich nicht ändern.
    Weil Korruption, Gewalt und Arbeitslosigkeit sich nicht ändern.
    Deshalb sind wir noch hier.«
    An dieser Stelle gab es Applaus – Occupy-Style, Hände in die Luft strecken und mit den Fingern wackeln, um den Redner nicht zu übertönen – , doch Trudy Doo war noch nicht fertig. Sie rief wieder »Mic-Check!«, und alle waren still.
    »Sie sagen uns, wir hätten zu viele Schulden gemacht.
    Wären einfach zu gierig gewesen.
    Hätten uns Haushypotheken erschlichen.
    Sie sagen uns, das ist der globale Markt.
    Wir können euch hier nicht mehr zahlen als in Indien oder China.
    Sie sagen uns: So sieht die neue Wirklichkeit nun mal aus.
    Keine Jobs.
    Keine Schulen.
    Keine Büchereien.
    Keine Häuser.
    Keine Renten.
    Keine Krankenversicherungen.
    Aber trotzdem gibt es genug Geld für Kriege.
    Trotzdem gibt es genug Geld für Banker und Boni.
    Trotzdem geben sie Kriegsverbrechern die Macht, uns die
    Häuser zu stehlen.
    Denn das verlangen die Märkte.
    Doch noch haben sie ihre schmutzigen Gesetze nicht verabschiedet.
    Dank des Darknet wissen wir jetzt über sie Bescheid.
    Wissen: Jeder Politiker, der für diese Gesetze stimmt, ist
    gekauft und bezahlt.
    Deshalb sind wir hier.
    Wir sind hier, weil unser Land nicht länger zum Verkauf steht.
    Wir sind hier, damit sie wissen: Wir passen sehr genau auf.«
    Sie sprang gewandt vom Sockel, und die Leute bekundeten ihren Beifall. Dann erwuchs daraus ein Schlachtruf: »Wir passen auf, wir passen auf, wir passen auf.« Ein paar Leute mit Fawkes-Masken zeigten erst auf ihre Augen, dann aufs Rathaus und führten in ihren Secondhand-Dreiteilern einen kleinen schrägen Tanz auf. Liam schwebte im siebten Himmel.
    Trudy Doo stand derweil im Zentrum einer lebhaften Debatte und versuchte Leuten, die noch nie davon gehört hatten, das Darknet zu erklären. Da entdeckte sie mich und rief: »Marcus, komm doch mal her!« Liam hätte da fast einen Fan-Gasmus gekriegt. Ich muss aber gestehen, dass ich selbst ein bisschen stolz war, von Trudy Doo erkannt zu werden.
    Dann sagte sie: »Marcus, du hast doch sicher von den Darknet-Docs gehört, oder nicht?«
    Mir blieb kurz die Spucke weg. »Hm, ja klar hab ich das.«
    »Gut. Warte mal kurz.«
    Sie sprang genauso geschickt wieder nach oben. »Mic-Check!«, brüllte sie vom Laternensockel, beide Hände an den Mund gelegt.
    »Mic-Check!«, toste die Menge.
    »Alle mal zuhören! Bei mir ist Marcus, den manche von euch noch als M1k3y kennen.«
    Plötzlich waren eine Million Augen auf mich gerichtet. Ich schrak zusammen und winkte der Menge peinlich berührt zu.
    »Ihr wollt wissen, wie das mit dem Darknet funktioniert? Marcus weiß darüber Bescheid.
    Hoch mit dir, Marcus!«
    Sie sprang wieder vom Sockel, und es gab höflichen Applaus. Dann schloss sie mich kurz in die Arme – sie roch wie ein überhitzter Computer, so als trüge sie Eau du Server. »Gib’s ihnen«, sagte sie mir ins Ohr, dann schob sie mich zur Laterne. Ich zögerte noch, doch da packte sie mich mit einer Hand an der Jeans, mit der anderen unterm Hintern und liftete mich einfach hoch.
    Ich schaute gebannt in die Menge. Die Menge schaute zurück. Es waren nicht nur Fremde, sondern auch ein paar vertraute Gesichter darunter – Leute aus dem Noisebridge, ein paar Mädchen aus meiner Gegend, ein paar kannte ich auch noch von der Highschool. Sogar John Gilmore von der Electronic Frontier Foundation entdeckte ich. Er trug ein Batikhemd und eine Schiebermütze und lächelte schelmisch hinter seiner runden Brille und dem langen Bart.
    »Wow«, entfuhr es mir, und die Menge echote »wow«, und gleich darauf lachten alle. Ah, der alte »Wiederholen, was nicht zum Wiederholen gedacht ist«-Witz. Ha ha, wirklich komisch. Und dann blieb mir gar nichts anderes mehr übrig: Gleich würde ich also ein paar tausend Leuten einen öffentlichen Vortrag über meine streng geheime Leaks-Seite halten.
    Das hatte ja wirklich super funktioniert.
    Es war einmal … eine Zeit gewesen, da hatte ich bei der Erfindung eines Netzwerks namens Xnet mitgeholfen. Unsere Plattform waren nämlich gehackte Universals der Xbox gewesen, einer Spielekonsole von Microsoft. Sie war seinerzeit zum Weihnachtsgeschäft verschenkt worden, damit Microsoft in der Folgezeit mehr Spiele verkaufen konnte. Naturgemäß bestand aber auch ein Interesse daran, andere Spiele auf der Xbox laufen zu lassen, also entwickelte jemand einen Hack und verpasste ihr ein neues Betriebssystem: GNU /Linux,

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