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Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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die Tür, die sich hinter uns schloss. Noch immer konnte ich so gut wie nichts erkennen; meine Brille war komplett mit Staub verkleistert, und das Licht in der Jurte kam nur von ein paar mit hauchdünnen Tüchern verhängten LED -Laternen.
    »Schau an, was der Wind reingeweht hat«, sagte eine raue, herzliche Stimme aus den Schatten. »Spritz sie besser erst mal ab, John, die haben ja noch die halbe Wüste in den Ohren hängen.«
    »Also los«, sagte der Bärtige mit einem Grinsen. Er trug Batikklamotten, eine runde John-Lennon-Brille und hatte Zöpfe mit Perlen im langen Bart und schütteren Haar. »Machen wir euch sauber. Bitte Schuhe aus. Danke.«
    Wir bückten uns umständlich und zogen die Schuhe aus. Wir hatten wirklich die halbe Wüste mit dabei, schön auf Schuhe, Kleider, Haare und Ohren verteilt.
    »Kann ich euch was zum Anziehen anbieten? Eure Klamotten können wir ausklopfen, sobald der Wind nachlässt.«
    Zuerst wollte ich ablehnen, weil wir uns ja kaum kannten und das selbst für Festivalverhältnisse ein Übermaß an Gastlichkeit war. Andererseits taten wir diesen Leuten auch keinen Gefallen, wenn wir ihre Jurte verdreckten. Wiederum andererseits …
    »Das wäre total nett«, sagte Ange. »Vielen Dank.«
    Und deshalb ist sie meine Freundin: Auf mich allein gestellt hätte ich die Frage noch bis nächste Woche von allen Seiten betrachtet. »Danke«, sagte auch ich.
    Der Mann reichte uns ein paar dicke Seidenbündel. »Das ist ein Salwar Kamiz«, erklärte er. »Indische Kleidung. Das sind die Hosen, und das hier schlagt ihr so um.« Er zeigte esuns. »Hab ich auf eBay gekriegt, das Geld ging direkt an die Näherinnen. Ist sehr bequem und passt eigentlich jedem.«
    Wir zogen uns bis auf die Unterwäsche aus und kleideten uns ein, so gut es ging. Unser Gastgeber half uns dabei. »Schon besser«, sagte er und reichte uns ein paar Frischetücher, was hier draußen einer Dusche wohl am nächsten kam. Wir verbrauchten einen ganzen Stapel für unsere Ohren, Hände und Füße – der Staub war sogar in unsere Socken gekrochen!
    »Na also.« Er klatschte in die Hände und strahlte uns an. Seine Stimme war sanft, doch seinem verschmitzten Blick sah man an, dass ihm keine Kleinigkeit entging und er einiges auf dem Kasten hatte. Er war entweder ein Zen-Meister oder ein Serienkiller – niemand sonst blieb derart gelassen und heiter. »Ich bin John. Herzlich willkommen.«
    Ange schüttelte seine Hand. »Ange.«
    »Marcus«, sagte ich.
    Viele Leute legten sich für die Dauer des Festivals einen hübschen anderen Namen zu. Ich hatte aber genug von meinem berühmt-berüchtigten Alter Ego M1k3y und auch keine Lust, mir ein neues Pseudonym auszudenken. Ich hatte das mit Ange zwar nicht abgesprochen, aber anscheinend legte auch sie keinen Wert darauf.
    »Dann stell ich euch mal die anderen vor.«
    Die anderen entpuppten sich als drei Typen, die auf Kissen um einen niedrigen Couchtisch saßen, der über und über mit Papier, Würfeln und liebevoll bemalten Bleifiguren bedeckt war. Anscheinend waren wir in eine richtige Old-School-D& D-R unde geplatzt, wo der Spielleiter noch »Meister« hieß. Es stand mir kaum zu, die Nase über anderer Leute Hobbys zu rümpfen – schließlich hatte ich selbst jahrelang Live-Rollenspiele gespielt – , aber das hier war schon echt nerdig. Und dass sie es mitten in der Wüste während eines Sturms taten, machte es nur noch skurriler.
    »Hi!«, sagte Ange. »Sieht nach Spaß aus!«
    »Auf jeden Fall«, erwiderte die raue Stimme, und ich erhaschte einen Blick auf den Mann, zu dem sie gehörte. Er hatte ein markantes, zerfurchtes Gesicht, einen freundlichen Blick und einen struppigen Bart. Um den Hals trug er ein Tuch, das von einer Nadel mit einem Türkis gehalten wurde.
    »Hat man euch denn schon in die Geheimnisse dieser speziellen Form der Zerstreuung eingeführt?«
    Ich griff nach Anges Hand und gab mein Bestes, nicht zu verschüchtert zu wirken. »Das hab ich noch nie gespielt, probiere aber gerne mal was Neues.«
    »Eine löbliche Einstellung«, warf ein anderer Mann ein. Er war ebenfalls über fünfzig und trug einen gepflegten grauen Knebelbart und eine Hornbrille. »Ich bin Mitch, das ist Barlow. Und das ist Wil, unser Meister.«
    Der letzte Mann war deutlich jünger als die anderen drei, höchstens Anfang vierzig. Er war rasiert, hatte rosige Bäckchen und kurzes Haar. »Hey«, sagte er. »Ihr könnt gerade noch einsteigen, wenn ihr wollt. Ich habe noch ein paar vorgenerierte

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