Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
verdammte Licht aus, Zeb.« Masha hatte wieder zu ihrem geschäftlichen Ton zurückgefunden. Wir nahmen wieder Platz.
Ich war zwar immer noch wütend wegen dem, was sie uns eingebrockt hatte, aber nachdem mir gerade vor Angst beinahe schlecht geworden wäre, fiel es schwer, dieselbe Wut noch einmal zu empfinden. Wahrscheinlich war mein ganzes Adrenalin einfach verbraucht, und mein Körper musste erst neues herstellen. Trotzdem war die Sache noch lange nicht geklärt.
»Masha«, sagte ich. »Dir ist doch klar, dass das alles total unfair ist, oder?«
Ich konnte sie im Dunkeln weder sehen noch hören, und die Stille zog sich so lange hin, dass ich schon dachte, sie sei eingeschlafen oder hätte sich vielleicht weggeschlichen. Dann sagte sie auf einmal: »Mein Gott, du bist immer noch ein kleiner Junge, stimmt’s?«
Es klang so, als wäre ich ein Achtjähriger. Oder ein Landei, dem noch die Kuhscheiße zwischen den Zehen klebt. Sie dagegen die weltreisende, flüchtige Ninjaspionin in geheimer Mission.
»Leck mich doch«, gab ich zurück und versuchte dabei, möglichst abgebrüht zu klingen, nicht wie ein Kind, das sich vor Angst fast in die Hose gemacht hätte. Aber das gelang mir wohl nicht besonders überzeugend.
Sie lachte gemein. »Im Ernst jetzt. ›Unfair‹, sagst du? Was hat ›Fairness‹ denn damit zu tun? In der Welt passiert ein Haufen Mist, und zwar von der Art, die zu Toten in flachen Gräbern führt. Und da ist man entweder Teil des Problems oder Teil der Lösung. Ist es denn ›fair‹ den Leuten gegenüber, die alles riskiert haben, um mir diese Dokumente zuzuspielen, wenn du sie im Stich lässt, bloß weil du dein kleines, sicheres Leben nicht durcheinanderbringen willst? Mann, M1k3y, du bist ja so ein großer Held. Hast sogar ganz tapfer – ja was eigentlich? – die Geschichten anderer Leute einer Reporterin erzählt. Und eine echte Pressekonferenz gegeben! Was für ein großer, tapferer Mann du doch bist.« Sie spuckte vernehmlich aus.
Tja, damit hatte sie mich wohl. Und wieso? Weil sie recht hatte, mehr oder weniger.
Oft genug hatte ich nachts wach gelegen, hatte die Decke angestarrt und exakt dasselbe gedacht. Viele Kids im Xnet hatten Sachen abgezogen, die viel verrückter waren als alles, was ich je gemacht hatte. Sie hatten gejammt, sich tollkühn mit dem Heimatschutz und den Bullen angelegt und waren lange im Gefängnis verschwunden, ohne dass sich irgendeine Zeitung ihres Schicksals angenommen hätte. Manche von ihnen saßen wahrscheinlich immer noch im Knast. Allein, dass ich das nicht mit Sicherheit wusste – nicht einmal alle Namen kannte, keine Ahnung hatte, wie viele es getroffen hatte – , war ein weiterer Beweis dafür, dass ich keine Bewunderung verdient hatte.
Was immer mir von meiner einstigen Schlagfertigkeit geblieben war, verkroch sich tief in die hintersten Winkeln meines Hirns. Ich hörte, wie Zeb verlegen mit den Füßen scharrte. Niemand wusste recht, was er sagen sollte.
Niemand außer Ange. »Tja, wahrscheinlich kann nicht jeder so ein toller Verräter sein. Nicht jeder bekommt die Chance, der Spitzel im Geheimversteck zu werden und zuzusehen, wie andere Leute weggesperrt, geschlagen und gefoltert werden oder einfach verschwinden. Nicht jeder kriegt es hin, sich dafür auch noch gut bezahlen zu lassen, bis es einem irgendwann dann doch zu viel wird und man seinem armen kleinen Gewissen zuliebe verduftet, zum Beispiel nach Mexiko, um dort am Strand den wohlverdienten Ruhestand zu genießen.«
Ich musste unwillkürlich grinsen. Gib’s ihr, Ange! Meine Sünden waren in erster Linie Unterlassungssünden gewesen: Ich hätte einfach mehr tun können. Mashas Sünden aber waren Tätersünden der schlimmsten Sorte gewesen: Sie hatte furchtbare Dinge getan. Seitdem versuchte sie es wiedergutzumachen. Aber es stand ihr nicht zu, mich in den Senkel zu stellen.
Wieder so ein langes Schweigen. Ich spielte mit dem Gedanken, den Stick einfach wegzuwerfen und davonzugehen. Aber ich tat es nicht.
Ich dachte an Zeb.
Denn Zeb war wirklich ein Held. Er war aus dem Guantanamo vor unserer Haustür, in der Bucht, ausgebrochen, doch anstatt einfach abzuhauen, war er zu mir gekommen, zur Chavez Highschool, um mir Nachricht von meinem Freund Darryl zu bringen. Er hätte auch einfach verschwinden können. Ich aber hatte sein Geheimnis der ganzen Welt erzählt und ihn damit in große Gefahr gebracht. Das hier war nicht nur Mashas Krieg, sondern auch Zebs. Sie waren ein Team. Und ich
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