Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
angucken könnt. Hier geht’s um euer Leben, euer Land – und wenn ihr beides schützen wollt, dann müsst ihr euch einmischen.
Ich weiß, dass man sich leicht machtlos fühlt und denkt, man könne ohnehin nichts tun, um »das System« zu behindern oder aufzuhalten. Oft hat man den Eindruck, alle wichtigen Entscheidungen würden von schattenhaften Mächten getroffen, die sich dem eigenen Einfluss entziehen. Mir geht es häufig ähnlich. Es stimmt aber einfach nicht.
Vor etwas über einem Jahr rief mich ein Freund an, um mir von einem merkwürdigen Gesetz zu erzählen, über das er gerade gestolpert war: den Combating Online Infringement and Counterfeits Act oder COICA . Je länger ich in dem Gesetzestext las, desto unwohler wurde mir: Sollte das, was da stand, in die Tat umgesetzt werden, könnte die Regierung ohne jeden Gerichtsbeschluss alle Webseiten, die ihr nicht passen, zensieren. Die US -Regierung hätte erstmals die Macht, den Internetzugang ihrer Bürger zu beschränken.
Der Text lag noch nicht lange auf dem Tisch, wurde aber bereits von mehreren Dutzend Senatoren unterstützt. Und obwohl es nie eine richtige Debatte darüber gegeben hatte, sollte er schon wenige Tage später zur Abstimmung gestellt werden. Noch nicht einmal die Medien hatten die Sache richtig aufgegriffen, und genau darum ging es natürlich: Alles sollte möglichst rasch beschlossen werden, ehe es irgendwer groß mitbekam.
Doch zum Glück hatte es mein Freund mitbekommen. Wir arbeiteten das ganze Wochenende durch und stellten eine Seite online, die erklärte, was das Gesetz beabsichtigte, dazu eine Petition, die man dagegen unterzeichnen konnte, plus die Telefonnummern der zuständigen Abgeordneten. Wir erzählten ein paar Freunden davon, die erzählten es weiter, und ein paar Tage später hatten wir über 200000 Unterschriften. Es war einfach unglaublich.
Die Leute, die hinter dem Gesetz standen, gaben aber nicht auf. Tatsächlich investierten sie eine zweistellige Millionensumme, um Lobbyarbeit für das Gesetz zu leisten. Der Vorstand jedes größeren Medienunternehmens flog nach Washington D.C. und traf sich mit dem Stabschef des Präsidenten, um ihn höflich an die vielen Millionen Dollar zu erinnern, die man ihm für den Wahlkampf gespendet hatte. Alles, was sie im Gegenzug vom Präsidenten erwarteten, sei, dass er dieses Gesetz unterschreibe.
Doch der öffentliche Druck baute sich weiter auf. Um die Bürger in die Irre zu führen, änderte man einfach den Namen des Gesetzes – so wurde daraus PIPA und SOPA und sogar das E- P ARASITEN -Gesetz. Doch egal, wie die Lobbys es nannten, immer mehr Leute erzählten ihren Freunden davon, und immer mehr Leute stellten sich dagegen. Bald hatten wir Millionen von Unterschriften unter unserer Petition.
Wir schafften es, die Gegenseite mit verschiedenen Aktionen ein Jahr lang hinzuhalten. Irgendwann wurde ihnen klar, dass sie sich ihr Gesetz würden abschminken müssen, wenn sie noch länger damit warteten, deshalb setzten sie es gleich nach der Rückkehr aus der Winterpause auf die Tagesordnung.
Doch während die Abgeordneten noch ihre Wintertour durch die Stadthallen absolvierten und ihre Vorträge hielten, bekamen sie Besuch. Überall traten ihre Wähler auf sie zu und fragten, wieso sie dieses hässliche Zensurgesetz unterstützten. Und allmählich bekamen sie es mit der Angst zu tun – ein paar Abgeordnete gingen in ihrer Reaktion sogar so weit, mich dafür anzugreifen.
Doch um mich ging es dabei schon lange nicht mehr – das ging es ja nie. Es war von Anfang darum gegangen, dass die Bürger die Dinge selbst in die Hand nahmen: Sie stellten Videos auf YouTube und schrieben Songs gegen das Gesetz, malten Schaubilder, die einem zeigten, wie viel Geld die Befürworter des Gesetzes von der Industrie, die davon profitierte, gekriegt hatten, und organisierten einen Boykott gegen die betreffenden Firmen.
Und das zeigte Wirkung: Es verwandelte ein vermeintlich unbedeutendes Gesetz, das ohne viel Federlesen hätte verabschiedet werden sollen, in ein Giftfass, das niemand mehr aufmachen wollte. Selbst seine einstigen Unterstützer konnten sich auf einmal gar nicht mehr schnell genug auf unsere Seite schlagen! Mann, waren die Medienmogule da angepisst …
Denn so sollte das System ihrer Meinung nach eigentlich nicht funktionieren. Ein bunt zusammengewürfelter Haufen von Kids hält doch nicht eine der einflussreichsten Kräfte in Washington dadurch auf, dass sie ein bisschen auf ihren
Weitere Kostenlose Bücher