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Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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Es war eine andere, eine passende Antwort auf die ganzen Mahnungen, die Scharen von Gerichtszustellern und ihre Räumungsbescheide zu finden.
    Am nächsten Tag wäre ich fast zu spät zur Arbeit gekommen. Ich hatte mir aus Anges Wäschestapel eins meiner T-S hirts zurückgestohlen (sie klaute sie gerne und schlief dann darin), das jetzt herrlich nach ihr duftete und meine Stimmung hob. Gerade noch rechtzeitig trat ich ein und steuerte schnurstracks auf meinen Schreibtisch zu.
    »Alter!«, rief Liam und stand auf einmal wie ein Pappaufsteller neben meinem Stuhl. »Der Hammer, oder?«
    »Was denn?«
    »Na, dieser ganze Darknet-Kram!«
    Alles Blut wich aus meinem Kopf und schwappte wie ein stürmisches Meer durch meine Eingeweide. Ich hörte das Pochen meines Herzschlags in den Ohren. »Was?«
    »Du hast’s noch nicht gesehen?«
    Er griff nach meiner Maus, startete den Browser und ging auf Reddit, wo man alle möglichen Nachrichten teilen und bewerten konnte. Jeder einzelne Beitrag auf der Startseite sprach von den »Darknet-Leaks«. Ich kam mir vor wie in einem Horrorfilm, als ich den ersten Link anklickte. Offenbar hatte wired.com über eine Anleitung zur Überwachung der Kamera bei Android-Handys berichtet, die jemand anonym auf pastebin.com eingestellt hatte. Wer immer dahintersteckte, hatte einem Reporter bei wired.com in einer Mail mitgeteilt, auf einer Seite im Darknet seien noch 800000 weitere Dokumente zu finden, die von Freiwilligen gerade durchforstet würden, und dies sei wahrscheinlich erst der Anfang. Die Mail hatte nicht enthüllt, woher die Dokumente stammten oder wer die Freiwilligen waren.
    Ich ging zurück auf Reddit und schaute mir die anderen Beiträge an. Wie viele Darknet-Dokumente waren noch durchgesickert? Anscheinend wusste momentan jeder so ungefähr gleich viel – 800000 Dokumente, Darknet, mehr davon in Kürze. Das war alles. Ich schaffte es, mich wieder zu beruhigen.
    »Du hast doch auch ein Android-Handy, oder?«, fragte Liam.
    »Schon«, sagte ich. »Aber ich benutze ParanoidAndroid als Betriebssystem, da kann so was nicht passieren.«
    »Ach ja?«, fragte Joe. Er hatte sich wie auf Samtpfoten angeschlichen, und ich wäre vor Schreck fast vom Stuhl gesprungen. »Whoa, tut mir leid, Marcus. Ganz ruhig. Ich habe auch ein Android-Handy, und weißt du was? Ich bestelle mittags eine Runde Pizza für alle, wenn du uns einen Workshop gibst, wie wir unsere Handys absichern können. Klingt mir nach etwas, über das wir alle uns informieren sollten.«
    »Na klar«, erwiderte ich. »Gerne doch.« Doch insgeheim schmiedete ich bereits einen Plan, mich in der Mittagspause kurz zu verdrücken, um mir irgendein Netzwerk mit einer schwachen WEP -Verschlüsselung zu suchen, die zu knacken, mich ins Darknet zu tunneln und rauszufinden, was eigentlich gerade passiert war. Ich meine, ich wusste besser als irgendwer sonst, dass es so was wie absolute Sicherheit nicht geben kann und es nur eine Frage der Zeit gewesen war, bis irgendwer von unseren Dokumenten Wind bekam. Ich hatte aber nicht damit gerechnet, dass es nach nur einem Tag passieren würde!
    Allerdings durfte ich meinen Job nicht aufs Spiel setzen. Ich hatte so lange nach Arbeit gesucht, und es war ein so cooler Job. Ich durfte Joe nicht im Stich lassen, bloß weil ich jetzt vielleicht ins Kreuzfeuer einer skrupellosen Söldnertruppe geriet.
    Also blieb ich da. Die Pizza kam, ich stellte mich ans Whiteboard, Stift in der einen, Pizzastück in der anderen Hand, und malte eine kleine Flowchart auf, die zeigte, wie man ein Telefon übernehmen und was man damit alles anstellen kann.
    Joe kaute nachdenklich, dann wischte er sich Mund und Finger ab und hob die Hand. »Das heißt also, die Polizei könnte unsere Handys übernehmen?«
    »Nein!«, rief Liam nachdrücklich. »Das heißt, jeder könnte … «
    Ich hob beschwichtigend die Hände, und Liam riss sich zusammen. »Was ich damit sagen will, ist: Sobald die entsprechende Infrastruktur auf Seiten des Netzanbieters bereitsteht, kann jeder, der Zugriff darauf hat, sie auch benutzen.«
    »Aber wer hätte denn Zugriff darauf? Doch nur die Polizei, oder?«
    »Tatsächlich wohl nicht nur die. Die geleakten Dokumente legen nahe, dass diese Überwachungs-Apps vom Netzanbieter oder Internetprovider bedient werden. Die Polizei ruft also dort an, und ein Techniker kümmert sich darum. Damit kommt schon mal jeder in Betracht, der ins interne Netz des Anbieters eindringen kann; jeder, der dort vielleicht

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