Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
etabliert, in denen Provider ihre Kunden heimlich belügen – , würde ich erwarten, dass genau solche Probleme auch auftreten.«
»Also, was tun wir?«
»Na ja, im Fall von Android ist das relativ leicht. Es ist offen und frei – das heißt, dass Google den Quellcode des Betriebssystems veröffentlichen muss. Eine Gruppe von Hackern hat eine sicherheitsorientierte Alternative namens ParanoidAndroid entwickelt, die bei jedem Update ein paar Vergleiche anstellt, um herauszufinden, wie vertrauenswürdig die Software ist. Früher war so was etwas schwer zu installieren, aber es wird immer einfacher. Ich habe ein kleines Installationsprogramm in unser Intranet gestellt, das es noch leichter macht. Schließt einfach euer Smartphone an und führt es aus, das sollte reichen. Wenn nicht, sagt mir Bescheid.«
»Aber woher wissen wir, dass wir deinem Programm vertrauen können?«, fragte Flor. »Vielleicht verwanzt du uns ja alle.«
Liam sprang regelrecht vom Stuhl auf. »So was würde Marcus niemals tun … «
Ich musste lachen. »Nein, sie hat völlig recht. Du hast recht, Flor. Es gibt keinen Grund, weshalb ihr mir trauen solltet. Ich bin ja erst seit ein paar Tagen hier. Zwar habt ihr mir den Job selbst angeboten, von daher ist es nicht sehr wahrscheinlich, dass ich geplant habe, euren Laden mit Malware zu unterwandern, aber vielleicht bin ich ja einfach jemand, der so was aus Prinzip macht.« Ich zuckte die Schultern. »Ihr könntet natürlich alles, was ich euch gerade erzählt habe, im Internet nachschauen und euch ParanoidAndroid selbst runterladen – aber vielleicht habe ich die entsprechenden Suchergebnisse ja überhaupt erst ins Netz gestellt. Kommt wahrscheinlich alles darauf an, wie paranoid ihr wirklich seid.«
»Ich würde mich als gemäßigt paranoid bezeichnen, mit einer Spur von Besonnenheit und gesundem Menschenverstand«, erklärte Joe und erntete ein paar Lacher damit. »Ich werde es mir jedenfalls installieren. Und was mache ich dann?«
»Gar nichts, solange dein Handy bei keinem Update eine Warnung ausgibt. Dann kannst du die Meldung googeln oder mich fragen oder deinem eigenen Urteil vertrauen. Es gibt auch eine Paranoia-Version für Ubuntu Linux, falls jemand von euch das benutzt. Die sagt euch ebenfalls, wenn ein Update nicht zu den Prüfsummen auf den öffentlichen Servern passt. Leider kenne ich nichts Vergleichbares für Mac oder Windows.« Ich schaute in die Runde, die Hände zusammengelegt. »Ist noch Pizza da?«
Jolu richtete uns einen kleinen Browserchat im Darknet ein und begann ihn mit
> ALSO WER HAT GEPLAUDERT ? DIE ERSTE REGEL DES DARKNET LAUTET , IHR VERLIERT KEIN WORT ÜBER DAS DARKNET – Swollen Rabbit
»Swollen Rabbit« war sein Alias. Er hatte uns auch einen Nickname-Generator gemacht, mit dem wir uns zufällige, aber coole Namen für den einmaligen Gebrauch geben konnten.
Für meinen Geschmack nahm er es fast zu sehr auf die leichte Schulter: die ganzen Großbuchstaben und der Insiderjoke. Wir hatten es hier mit einem GAU zu tun, und er behandelte es wie einen kleinen Störfall.
> Das ist echt ernst, Leute. Swollen Rabbit, bist du dir sicher, dass jemand von uns das war und keiner von draußen? – Nasty Locomotive
> Schwer zu sagen, aber ja. Ich hab mir die ganzen Logs angeschaut und niemand außer uns gefunden. Hat sich vielleicht wer nen Screenlogger eingefangen? – Swollen Rabbit
Na klar – vielleicht waren wir ja verwanzt. Das wäre natürlich die Ironie überhaupt: Jemanden zu verwanzen, der ein Leak über Wanzen hatte, und das Leak dann mithilfe der Wanze an die Presse zu leaken … Wenn ich zu lange darüber nachdachte, wurde mir schwindlig. Ich entschied mich, es mit Ockhams Rasiermesser zu halten: Dass einfach jemand geplaudert hatte, war die deutlich wahrscheinlichere Erklärung.
> Ich weiß, dass ich dir, dem Rest von uns und Tasty Ducks trauen kann
– das war Ange –
> aber wie steht’s mit deinen Freunden? – Nasty Locomotive
> Moment mal, wieso sollten wir denn EUCH trauen? Wer hat dich für unfehlbar erklärt? – Restless Agent
Das war einer der Leute, die Jolu mit an Bord gebracht hatte. Sonst wusste ich nichts über ihn (oder sie). Jolu und ich hatten beschlossen, dass jeder von uns am besten nur das Nötigste wissen sollte. Ich brauchte nicht zu wissen, wer Restless Agent war – bloß, dass sich dahinter jemand verbarg, dem Jolu bedingungslos vertraute.
Doch Jolu hin oder her, in diesem Moment hätte ich nicht schlecht Lust gehabt,
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