Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Restless Agent eine reinzuhauen. Wie konnte er es wagen, Darryl, Van, Ange und mich anzuzweifeln? Ange hatte es auch gerade gelesen. Sie saß im Schneidersitz über ihren Laptop gebeugt auf meinem Bett, sodass ihr das Haar in die Augen fiel. Doch kaum dass ich wütend eine Antwort zu tippen begann, sagte sie: »Ruhig, Großer. Ganz ruhig.«
»Aber … «
»Ich weiß, ich weiß: Jemand im Internet redet Müll. Zähl einfach bis zehn. Im Ternärsystem, bitte.«
»Aber … «
»Na los.«
»Eins. Zwei. Zehn. Elf. Zwölf. Zwanzig. Einundzwanzig. Zweiundzwanzig. Hundert. Hunderteins. Hundertzwei … « Ich stockte. »Moment, jetzt hab ich mich verzählt. Ist hundertzwei zehn oder elf?« Das Binärsystem hatte ich selbst dann noch drauf, wenn ich wütend war, aber ternär – mit der Drei als Basis – erforderte zu viel Mitdenken. »Okay, du hast gewonnen. Ich hab mich beruhigt.«
> Stimmt, ihr könnt uns nicht trauen – Tasty Ducks
> Ihr kennt uns nicht, und wir kennen euch nicht. Aber wir können so nicht weitermachen, wenn sich hier jemand aufspielt und irgendwelche Schwätzer reinlässt. Was machen wir jetzt? Alles abblasen? – Tasty Ducks
> Ich könnte die Logs für alle sichtbar machen. Dann wüssten wir genau, wer mit welchem Dokument gearbeitet hat. Wenn eins wo auftaucht, wo es nicht hingehört, hätten wir eine Liste mit möglichen Kandidaten. Wenn es öfter passiert, können wir den Kreis auf den oder die einengen, die mit allen Dokumenten gearbeitet hat – Swollen Rabbit
> Vorausgesetzt, es ist nur eine Person – Nasty Locomotive
> Stimmt, vielleicht können wir ja alle nicht den Rand halten – Poseidon Snake
Das war ein anderer von Jolus Buddys.
> Loggen klingt nach einem guten Plan. Wenn wir alle sehen können, was wir machen, müssen wir auch ehrlich bleiben – Nasty Locomotive
> Es sei denn, ich hätte euch verpfiffen, dann würd ich jetzt nämlich die Logs fälschen und ihr Lutscher hättet keinen Schimmer – Swollen Rabbit
> L O L. Wirklich sehr komisch. Wenn du uns verpfiffen hast, können wir eh alle einpacken. Bitte nicht du – Tasty Ducks
»Damit wäre das erst mal geklärt«, sagte ich. »Danke, dass du mich dran gehindert hast, mich in Angry Internet Man zu verwandeln.«
»Gern geschehen. Es war aber auch unter deinem Niveau, so was wie ›aber wie steht’s mit deinen Freunden‹ zu schreiben, wo’s jeder sehen konnte.«
Ich wollte etwas erwidern, aber eigentlich gab’s da nichts zu diskutieren. Schließlich hatte ich selbst die Beherrschung verloren, als Restless Agent den Spieß umdrehte.
»Okay, vergessen wir’s.« Ich scrollte in unserer riesigen Tabelle mit ihren mehr als 800000 Zeilen auf und ab. »Also, was wollen wir uns heute ansehen?«
»Ich würde sagen, mehr zum Thema Kommunikationsüberwachung. Da gibt’s noch Hunderte Dokumente, die damit zu tun haben. Wenn die Story schon draußen ist, wäre es gut, auch den Rest zu kennen.«
»Dann nimmst du die Dokumente aus der unteren Hälfte, und ich die ab 400000. Meine Mutter meinte übrigens, dass du gern zum Essen bleiben kannst.«
»Mach ich«, sagte sie, und wir gingen wieder an die Arbeit.
Vielleicht sollte ich zu den Darknet-Dokumenten noch was sagen: Die meisten waren unglaublich langweilig. Zahlenkolonnen, unentzifferbare Memos in Bürokratenjargon, voller Akronyme und Namen von Leuten und Behörden, von denen ich noch nie was gehört hatte. Es war verlockend, diese Dateien einfach zu überspringen und nach etwas Spannenderem zu suchen – oder wenigstens nach etwas, das ich kapierte – , aber immer wieder fand ich auch etwas, in dessen Licht ein anderes Dokument auf einmal Sinn ergab, ein passendes Puzzlestück, und dann war ich froh, dass ich nicht aufgegeben hatte.
Zum Beispiel fand ich eine Liste aller Schulen San Franciscos, die letztes Jahr bei einem »Programm zur Vermeidung von Laptopdiebstählen« mitgemacht hatten. Dabei kam auf den schulinternen Laptops eine Software zum Einsatz, die sich alle ein, zwei Tage bei der Schulaufsicht meldete. Diese wiederum meldete gestohlene Geräte und ihre IP -Adressen an die Polizei. Ich stellte mit Interesse fest, dass die Chavez High auch auf der Liste stand. Der Name stach mir sofort ins Auge, schließlich hatte ich ihn jahrelang auf einem Rucksack mit mir rumgetragen.
Ein gutes Dutzend Dokumente später fand ich dann eine Broschüre zu genau dieser Software. Erst fragte ich mich, wieso Jolus Algorithmus sie als relevant für den Komplex
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