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Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)

Titel: Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cory Doctorow
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»Kommunikationsüberwachung« eingestuft hatte. Als Schlüsselbegriffe stellten sich »heimlich aktivieren« und »Webcam« heraus. Ersteres erklärte sich von selbst – wenn der gestohlene Laptop nach Hause telefonieren sollte, dann tat er das am besten ohne große Vorankündigung. »Lieber Dieb: Ich teile der Polizei jetzt deine IP -Adresse mit. Fortfahren? [ OK ] [Abbrechen].«
    Aber wieso sollte man die Webcam eines solchen Laptops aktivieren? Ich überflog die Broschüre. Ach so: um Bilder des Diebs zu machen. Die Software konnte die Webcam aktivieren, ohne dass das kleine Signallämpchen anging, und heimlich ein Bild an die Schulaufsicht schicken. Das war gruselig. Ich fragte mich, ob je ein Schüler den Zugang zu diesem kleinen »Feature« entdeckt und damit seine Mitschüler ausspioniert hatte. Mein Laptop stand die ganze Zeit aufgeklappt auf meinem Tisch – wenn ich schlief, wenn ich mich anzog, wenn Ange und ich …
    Oh Mann.
    Ich forschte weiter. Mit »LaptopLock« hatte ich nun einen Produktnamen, nach dem ich suchen konnte, und, ohne Witz, es gab haufenweise Treffer dazu in den Darknet-Docs. Ich sortierte wieder nach Datum und fand mich in den E-M ails einer besorgten IT -Mitarbeiterin wieder, die ihren Boss darüber informierte, dass jemand bei der Schulaufsichtsbehörde des Innenstadtbezirks San Francisco LaptopLock dazu benutzte, sämtliche Schüler, nicht nur die Diebe, zu jeder Tageszeit zu überwachen, inklusive morgens (wenn sie sich wahrscheinlich gerade anzogen) oder nachts (wenn sie wahrscheinlich schliefen).
    Die Mitarbeiterin hatte einen Blick auf den Netzwerkordner des Mannes geworfen und dort mehrere tausend Bilder von Schülern und ihren Familien gefunden. Viele davon zeigten sie unbekleidet oder schlafend. Es gab auch Audio- und Videomaterial von privaten Unterhaltungen der Schüler und Eltern. Ihr Vorgesetzter war außer sich vor Wut – aber nicht auf die fragliche Person, sondern auf seine Mitarbeiterin, weil es nämlich nicht ihre Aufgabe sei, Angehörigen der Schulaufsichtsbehörde »nachzuschnüffeln«. Der Streit eskalierte, als die Mitarbeiterin darauf hinwies, dass ihre Nachforschungen gar nichts im Vergleich zu dem waren, was dieser Mann getan hatte, und endete schließlich mit ihrer Kündigung. Sie tat mir leid – sie war ein ehrenwerter Geek, und es war nicht leicht für solche Leute, noch Jobs in dieser bösen, alten Welt von heute zu finden.
    Die Macht von LaptopLock war nicht nur Leuten bei der Schulaufsicht im Innenstadtbezirk San Francisco zu Kopf gestiegen. Anscheinend gab es in so ziemlich jedem Schulbezirk irgendwen in einer Führungsposition, der davon überzeugt schien, dass das Ausspionieren von Schülern Teil seiner Jobbeschreibung sei. Bloß dass es in diesem speziellen Fall um einen gewissen Fred Benson ging.
    Vor langer Zeit war Fred Benson mal stellvertretender Schulleiter an der Chavez High gewesen. Dort hatte er in Amt und Würden wie ein Gefängniswärter oder König residiert, und sein gerechter Zorn hatte all jene getroffen, die seinem ausgeprägten Sinn für konservative Moral zuwiderliefen.
    Solche wie, na ja, mich zum Beispiel.
    Doch der gute alte Fred hatte »in wechselseitigem Einvernehmen« mit der Schule seinen Abschied genommen, als klar wurde, dass San Francisco und der Staat Kalifornien es nicht länger hinnehmen würden, in welcher Weise »Recht und Ordnung« eine ganze Stadt besetzt hielten. Damit meine ich die verlogenen, folternden Paramilitärs, die San Francisco im Namen des »Schutzes vor Terrorismus« in Geiselhaft genommen hatten. Es war ja so schade gewesen, ihn seinen Schreibtisch ausräumen zu sehen – ein weiterer kleiner Kollateralschaden im Krieg gegen den Terror.
    Aber Fred war ein früherer Athlet, ein energischer, zielstrebiger Kerl, der’s einfach nicht lassen konnte. Also bewarb er sich um eine Stelle bei der Schulaufsicht. Sein einziger Gegenkandidat war ein totaler Spinner gewesen, der bereits dreimal wegen Immobilienbetrug verknackt worden war und trotzdem fast die Hälfte aller Stimmen einfuhr – aber eben nur fast. So hielt Fred, ausgestattet mit einem ordentlichen, steuerfinanzierten Gehalt, in die heiligen Hallen des Bildungssystems Einzug und konnte fürderhin nach Herzenslust Lehrer schikanieren und seinen Führungsstil dem ganzen Schulbezirk aufdrücken.
    Falls das noch nicht rüberkam: Ich kann den Kerl nicht ausstehen.
    Doch selbst mich überraschte es, dass er ein derart emsiger Nutzer von LaptopLock war.

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