Little Brother - Homeland: Roman (Heyne fliegt) (German Edition)
Steuerbescheide, eben alles, was man über Menschen, deren Eltern, Expartner, Großeltern, Cousins und Schulfreunde wissen muss, um ihnen schlaflose Nächte zu bereiten. Und wie Zyz diese Macht benutzte, war in der Tat äußerst dynamisch und zielstrebig. Mit einem Wort: aggressiv.
So weit, so schäbig. Aber es wurde noch schlimmer: Die Menschen, die Zyz Geld schuldeten, fielen bald mit einer Reihe für sie untypischer Verhaltensmuster auf: mit bewaffneten Raubüberfällen, Einbrüchen, Erpressung. Einige traten dem Militär bei, nur um wenig später hochkant wieder rauszufliegen, weil sie einfach nicht zu gebrauchen waren.
Und wieso machten sie das? Weil Zyz ihnen »finanzielle Ratschlage« erteilte. So nach dem Motto »Zahl mal lieber deine Schulden, Junge, sonst haben du und deine Lieben ein echtes Problem.« Die Zyz-Leute waren nicht bloß private Dienstleistungsunternehmer fürs Militär oder durchgedrehte Spekulanten: Eigentlich waren sie die Mafia.
All das ging aus einer Reihe von Aktennotizen und Briefen der Staatsanwaltschaft hervor, die Beschwerden der »Klienten« von Zyz erhalten hatten. Natürlich stritt Zyz alles ab und ließ, wenn es eng wurde, seine Beziehungen auf Staats- und Bundesebene spielen. Zyz hatte Freunde in der Regierung, bei der Polizei und beim Heimatschutz.
Das vernichtende Urteil über all diese Machenschaften kam von einer Staatsanwältin aus San Francisco, die einfach zu viele identische Geschichten über Zyz gehört und unter großer Mühe und mit Bergen von Unterlagen eine Klage gegen sie vorbereitet hatte, nur um dann von ihrem Boss zurückgepfiffen zu werden, weil es angeblich »keine hinreichenden Beweise« gäbe, »um zu diesem Zeitpunkt eine Untersuchung zu rechtfertigen«. All ihre gewissenhaft zusammengetragenen Dokumente waren ebenfalls Teil unserer kleinen Sammlung.
Die gute Frau – ich feuerte sie beim Lesen richtig an – ließ es damit aber nicht auf sich beruhen. Sie sammelte weiter Aussagen von Zyz-Opfern und nahm die Finanzen des Unternehmens unter die Lupe, immer in der Hoffnung, die »hinreichenden Beweise« zu finden, die ihren Boss noch umstimmen mochten. Dies ging genau so lange, bis die Bank der Staatsanwältin wegen ihrer eigenen Zahlungsrückstände das Haus wegnahm. Um sechs Uhr morgens klopfte es bei ihr an der Tür, und sie, ihr Mann und ihre beiden kleinen Kinder wurden rausgeworfen. Von da an war sie hauptberuflich bloß noch Gefangene eines bürokratischen Albtraums, die verzweifelt versuchte, ihren Namen reinzuwaschen, den Kredit abzuzahlen und ihr Haus wiederzubekommen.
An diesem Punkt brach ihre Geschichte ab – nicht jedoch die von Zyz. Die Leute hatten Lobbys in jeder Hauptstadt der Vereinigten Staaten auf ihrer Seite – allein das musste sie ein Vermögen gekostet haben und ließ Rückschlüsse auf die Gewinne zu, die sie mit ihren schmutzigen Geschäften machten. Die Lobbys wiederum setzten sich für eine Gesetzgebung ein, die Zyz »größeren Spielraum« beim Zugriff auf die Vermögenswerte von Eltern und sogar Großeltern ihrer Schuldner verschaffen sollte, besonders, wenn die ehemaligen Studenten noch zu Hause wohnten. Übersetzung: Wenn man derart verschuldet war, dass man sogar noch bei den Eltern wohnen musste (hüstel), dann nahmen sie eben denen das Haus, das Einkommen und die Rente weg. Warum sich mit Sozialleistungen, die der Schuldner einstreichen mochte, begnügen, wenn man auch gleich noch an die Rente der Großmutter herankam?
Diese Lobbygruppen waren allerorten sehr aktiv, besonders aber in Kalifornien, wo die Jugendarbeitslosigkeit am höchsten war und es aufgrund der immensen Studiengebühren auch rekordverdächtig viele Abbrecher wie mich gab, die am schnellsten auf der Strecke blieben. Und nur zu gerne wollte Zyz jetzt an die Konten unserer Eltern.
Nun befanden wir uns auch noch im Wahlkampf, und Zyz gab jede Menge Geld dafür aus. Das lief zwar über unterschiedlichste Tochterunternehmen, doch abermals hatte ein fleißiger Whistleblower (der Name im Memo war geschwärzt) eine Liste dieser Firmen zusammengestellt, die bewies, dass Zyz bei fast jedem erfolgversprechenden Kandidaten in jedem Rennen die Finger mit drinhatte und manchmal sogar direkte Konkurrenten unterstützte – jeden, der ernsthafte Aussichten hatte, nach gewonnener Wahl in einem wichtigen Ausschuss zu landen.
Sobald unser Darknet-Team auf Zyz aufmerksam geworden war, hatte es bergeweise Material über sie ausgegraben. Einschließlich eines winzigen
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