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Live!

Live!

Titel: Live! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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Freiheitskämpfern von Messolongi gleichtat, die durch ihren Exodus in die Geschichte eingingen – bin ich in Fahrt gekommen und liebäugle mit dem Gedanken, mein nachmittägliches Rendezvous mit der Katze platzen zu lassen. Ich überlege es mir jedoch noch einmal und komme zu dem Schluß, daß ich mehr erreiche, wenn ich die frontalen Zusammenstöße vermeide und mich auf den Guerillakampf verlege.
    Eine Viertelstunde vor unserem gewohnten Spaziergang spüre ich unmerklich, wie sich Adrianis Schatten auf mich senkt.
    »Gehen wir heute nicht spazieren?«
    Ich hebe den Blick vom Dimitrakos und sage freundlich lächelnd: »Klar gehen wir, wenn du mir versprichst, daß du mir morgen gefüllte Tomaten kochst.«
    »Von mir aus gerne, aber vielleicht, mein Kostas, sind sie dir zu schwer.«
    »Nicht schon wieder! Ich habe dir tausendmal erklärt, daß ich eine Schußwunde in der Brust und kein Magengeschwür hatte – doch du bist absolut nicht von dieser Idee abzubringen!«
    Sie denkt kurz darüber nach und findet den goldenen Mittelweg, bei dem sie das Gesicht nicht verliert. »In Ordnung, ich mache sie mit weniger Zwiebeln, dann sind sie leichter verdaulich.«
    Mit großer Freude stelle ich fest, daß meine Taktik funktioniert. Und nun sitzt die Katze mir gegenüber und sieht mich mit dem hochnäsigen Blick an, den sie stets in meiner Anwesenheit aufsetzt. Ich stehe langsam auf, tue so, als würde ich mich strecken, und gehe auf sie zu. Sie ist überrascht, da ich von unserem Verhaltenskodex abweiche. Sicherheitshalber erhebt sie sich und blickt mich alarmiert an. Als sie sieht, daß ich tatsächlich auf sie zukomme, springt sie rechtzeitig von der Parkbank, um sich – ladylike und mit hocherhobenem Schwanz – zu entfernen, um einen ungeordneten Rückzug zu vermeiden. Von nun an wird sie strammstehen, sobald sie mich sieht, denn ihr Hochmut ist gebrochen.
    Adriani hat all das gar nicht bemerkt, da sie in die Zeitungen vertieft ist, die ich am Morgen gekauft habe.
    »Als ob der Selbstmord begangen hätte, weil er in einer finanziellen Notlage steckte!« ruft sie mit einemmal aus.
    »Findest du das unwahrscheinlich?« frage ich, während ich mich wieder neben sie setze.
    »Aber wo lebst du denn, um Gottes willen?« fragt sie, als hätte ich mich gerade aus den ehemaligen Sowjetrepubliken repatriieren lassen. »Selbst wenn er vor dem Ruin gestanden hätte, wäre von dem Schaden nur seine Firma betroffen gewesen. Er hat doch sein Privatvermögen in der Schweiz deponiert, da kannst du sicher sein.«
    »Warum denn in der Schweiz?«
    »Weil sie nicht der Europäischen Union angehört und es dort anonyme Konten gibt.«
    Ich starre sie sprachlos an. »He, Adriani«, sage ich. »Warum gehst du nicht an meiner Stelle ins Büro, und ich bleibe zu Hause und bereite gefüllte Tomaten zu?«
    »Da siehst du, was man aus dem Fernsehen alles lernt«, entgegnet sie mit einem triumphierenden Lächeln. »Nur du nicht, weil es dir zu blöd ist.«
    »Ist im Fernsehen denn von solchen Dingen die Rede?«
    »Machst du Witze? Weißt du, was die zugeschalteten Korrespondenten und Experten alles abhandeln? Das ist regelrechter Nachhilfeunterricht!« Dann besinnt sie sich: »Gehen wir lieber, es regnet gleich.«
    Ich hebe den Kopf und sehe eine geballte Ladung schwarzer Wolken durch die Bäume schimmern. Die ersten dicken Tropfen heißen uns am Ausgang des Parks willkommen. Kein Lüftchen regt sich, und der Regen fällt schnurgerade – wie der Vorhang in einer Barbierstube – herab und läßt einen keine zehn Meter weit sehen. Am Rinnstein stoppt uns ein Wasserschwall. Innerhalb von fünf Minuten hat sich die Kononos-Straße in einen reißenden Nebenfluß der Filolaou-Straße verwandelt.
    »Wie sollen wir bloß da rüberkommen?« frage ich Adriani.
    Sie packt meine Hand und zerrt mich zum Eingang eines Wohnhauses. »Warte hier, ich bin gleich wieder da«, sagt sie und läuft in den Supermarkt drei Häuser weiter.
    Ich frage mich, ob sie losgezogen ist, um ein aufblasbares Kinderkanu zu kaufen, doch ich sehe, wie sie mit einer Handvoll leerer Plastiktüten heraustritt.
    »Heb deinen Fuß an«, sagt sie und stülpt eine Plastiktüte darüber, die sie mit einem Gummiband festmacht, so daß mein Fuß aussieht wie ein frisch verpacktes Hähnchen der Marke Mimikou. Mein Widerstand wird mit einem »Psst, ich weiß schon, was ich tue!« im Keim erstickt, und sie geht zum zweiten Fuß über.
    »Bist du verrückt, soll ich mich so in den Fluß stürzen?«

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