Live!
eingefallen.«
»Ich weiß, aber ich lebe schon zu lange in Thessaloniki. Daher bin ich Mamas Art gar nicht mehr gewohnt.«
Die angehenden Schwiegereltern und der angehende Bräutigam, wie Abgeordneter Andreadis alle zusammen nennen würde, treffen um Punkt halb acht ein. Prodromos und Sevasti Ousounidis sind beide von etwa gleicher Größe und Statur – nämlich mittelgroß und eher wohlgenährt. Sie stehen zwischen einem verlegenen Arzt und einer verlegen dreinblickenden angehenden Richterin und warten auf unser »Schön, daß Sie da sind!«, um mit ihrem »Schön, daß wir Sie kennenlernen!« zu kontern und mit einem vierstimmigen »Na also!« zu enden.
Im Wohnzimmer gehen wir nach den ersten Höflichkeitsfloskeln zum beruflichen Werdegang über. Prodromos Ousounidis weiß schon, daß ich Polizeibeamter bin. Ich erfahre erst jetzt, daß er der typisch griechische Hans-Dampf-in-allen-Gassen ist: halb Landwirt, halb Selbständiger. Er besitzt ein Stück Land, auf dem er Tabak anpflanzt, und eine Kurzwarenhandlung in einem Stadtteil von Veria. Wenn er die Feldarbeit erledigt, übernimmt Sevasti Ousounidi die Kurzwarenhandlung, und wenn Prodromos im Laden sitzt, übernimmt Sevasti den Haushalt.
Ein Großteil der Informationen wird von Sevasti bereitgestellt. Prodromos schweigt die meiste Zeit. Sein Gesicht glänzt vor Schweiß, und immer wieder wischt er sich mit dem Taschentuch über die Stirn. Denn er erachtete es als angemessen, die Form zu wahren, und hat seinen besten Anzug angezogen, der aus dickem Winterstoff geschneidert ist. Ich will schon das Klimagerät anstellen, um ihm Erleichterung zu verschaffen, als mir seine Frau zuvorkommt.
»Prodromos, willst du dein Sakko nicht ausziehen? Schau mal, der Herr Kommissar trägt auch keines.«
Ich weiß nicht, ob das eine einfache Feststellung sein soll oder einen gewissen Tadel in meine Richtung enthält, da ich ihnen nicht die gebührende Ehre erweise und bloß im kurzärmeligen Hemd anstelle eines Jacketts erschienen bin. Jedenfalls ist ihr Vorschlag Prodromos’ Rettung. Er zieht sein Sakko aus, nimmt gleich auch noch die Krawatte ab und stößt einen Seufzer der Erleichterung aus.
An mir bleibt jedoch der Tadel haften, und dafür handele ich mir einen strafenden Blick von Adriani ein. Der einzige, der sich amüsiert, ist Fanis. Er hat begriffen, was vorgeht. Und als sein Blick auf mich fällt, kann er sein Lachen kaum mehr zurückhalten.
Meine Blicke ruhen auf Katerina. Ich weiß nicht, wie sie sich verhält, wenn sie an der Universität Prüfungen ablegt, aber zum ersten Mal erlebe ich sie unbeholfen und verklemmt. Sie rutscht verlegen auf ihrem Stuhl umher und lächelt abwechselnd allen zu. Sie ist, wie immer, einfach gekleidet, aber sie fühlt sich nicht wohl in ihrer Haut. Obwohl sie leichte Sommersandalen trägt, drückt sie offenbar der Schuh. Koula wäre da wohl viel lockerer. Sie würde sich in das Gespräch einschalten, für jeden das passende Wort finden und wäre innerhalb einer Viertelstunde allen sympathisch. Meine Tochter ist gebildet und weiß, was sie will. Sie wird bestimmt eine glänzende Karriere machen, aber unter den gegebenen Umständen, das muß ich mir eingestehen, wäre ihr Koula um Längen voraus.
Adriani erhebt sich, um das Essen aufzutragen. Katerina springt auf, da ihr Adriani offenbar eingeschärft hat, ihr immer sogleich in die Küche hinterherzustürzen. Doch Sevasti hat heute die Retterrolle übernommen. Zuerst hat sie ihren Mann vom Sakko befreit, nun rettet sie Katerina vorm Küchendienst.
»Bleib ruhig bei den Männern sitzen, Katerina«, sagt sie. »Ich werde Frau Charitou zur Hand gehen.«
Adriani will schon Widerspruch einlegen, doch Sevasti möchte nichts davon hören. »Aber woher denn, Frau Charitou!« sagt sie. »Wenn Sie demnächst zu uns nach Hause kommen, werden Sie mir doch auch helfen, oder? Das wäre ja noch schöner!«
Katerina steht in der Mitte und weiß nicht, ob sie ihrer Mutter gehorchen und in die Küche gehen oder ihrer zukünftigen Schwiegermutter und im Wohnzimmer bleiben soll. Glücklicherweise rettet Fanis sie aus dem Dilemma.
»Setz dich zu uns«, meint er lachend. »Du weißt doch: Die Frauen des Hauses knüpfen gerne enge Bande in der Küche.«
Adriani und Sevasti gehen hinaus, und Katerina darf zurückbleiben, worauf sich die Stimmung entspannt. Ousounidis senior beginnt über den Tabakanbau zu erzählen: Heutzutage werde nur mehr Virginia-Tabak angepflanzt, was den Konkurrenzdruck
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