Live!
mache mich auf den Namen Minas Logaras gefaßt.
»Christos Kalafatis.«
Der Name sagt mir gar nichts, und ich versuche vergeblich, ihn einzuordnen. Vlassopoulos merkt es an der Sendepause.
»Ruft der Name gar nichts bei Ihnen wach?« fragt er verwundert.
»Nein.«
»Christos Kalafatis … Na, dieser muskulöse Typ von der Militärpolizei, der im Zuge des Prozesses gegen die Folterer der Junta zu zehn Jahren Haft verurteilt worden war! Im Prozeß haben Favieros, Stefanakos und Vakirtsis als Zeugen der Anklage ausgesagt. Das steht fest, ich habe es nachgeprüft.«
»Und jetzt produziert er Che-Guevara-Leibchen?«
»Genau!«
Ein Militärpolizist, ein ehemaliger Folterknecht der Militärpolizei, stellt T-Shirts mit Che Guevaras Abbild her! Waren die Selbstmorde vielleicht ein finaler Racheakt, da die drei als Zeugen der Anklage gegen Kalafatis ausgesagt hatten, was ihn zehn Jahre seines Lebens kostete? Sollte das zutreffen, dann hat er sie mit Sicherheit mit einem dunklen Geheimnis aus ihrer Vergangenheit erpreßt. Und dieser dunkle Punkt muß mit ihrer Haftzeit bei der Militärpolizei zu tun haben. Woher sollte Kalafatis sonst davon wissen?
»Hast du eine Anschrift?«
»Ja, die von seinem Gewerbebetrieb, Liakou-Straße 8, bei der U-Bahnstation Ajios Nikolaos, zwischen Ionias- und Acharnon-Boulevard.«
»Wenn Gikas nach mir fragt, dann sagt ihm, ich bin in zwei Stunden da. Bravo, das ist ein Topergebnis!«
»Na ja, wir lassen uns doch von der Privatsekretärin des Kriminaldirektors nicht düpieren!« meint er spöttisch und legt auf.
Der schnellste Weg führt über die Patission-Straße, die Agathoupoleos-Straße hinunter und auf den Ionias-Boulevard. Das bedeutet, daß wahrscheinlich ich das nächste Selbstmordopfer sein werde. Ich beschließe daher, den Mirafiori in der Garage des Präsidiums stehenzulassen und die U-Bahn zu nehmen. Nach zweimaligem Umsteigen, am Syntagma- und danach am Omonia-Platz, trete ich zwanzig Minuten später aus der Station Ajios Nikolaos.
Die Liakou-Straße 8 ist ein verkommener Lagerraum, aus Stein und Zement zusammengefügt, mit kleinen Fenstern und einer zweiflügeligen Eisentür, die einen Spaltbreit offensteht. Ich stoße sie auf und trete ein. Der Raum ist nicht sehr groß. Mit knapper Not finden die drei umfangreichen Maschinen darin Platz, an denen die Baumwollleibchen bedruckt, gebügelt und konfektioniert werden. An den Wänden liegen T-Shirts gestapelt. Der Fußboden ist mit Pappkartons, Packpapier und Flickenteppichen ausgelegt und sieht aus, als sei er seit Monaten nicht mehr geputzt worden. Ganz hinten sitzt ein hochgewachsener und durchtrainierter Fünfundvierzigjähriger mit Vollbart und beginnender Glatze an einem Schreibtisch. Sein Outfit läßt darauf schließen, daß er in seiner Jugend Militärpolizist war. Ich trete auf ihn zu, worauf er den Blick hebt.
»Ja?«
»Kommissar Kostas Charitos.«
In seinem Gesicht regt sich nichts. Er blickt mich weiterhin fragend an.
»Kann ich mich setzen?«
»Muß das sein?« fragt er bissig.
Ich entgegne nichts, sondern ziehe mir einen Stuhl heran und nehme Platz. »Sie waren während der Juntazeit bei der Militärpolizei.«
»Da kommen Sie jetzt erst dahinter?« Scheinbar fühlt er sich auf den Schlips getreten, versucht jedoch, die Selbstbeherrschung zu wahren. »Hören Sie zu. Diese Geschichte ist lange her. Ich wurde vor Gericht gestellt, und der Prozeß hat mich bekannt gemacht. Ich habe zehn Jahre Gefängnis auf dem Buckel, und man hat mich wieder vergessen. Nachdem ich zwei Drittel der Strafe verbüßt hatte, bin ich wegen guter Führung entlassen worden und habe mit der Vergangenheit ein für allemal abgeschlossen.«
»Mein Interesse gilt nicht Ihnen persönlich. Haben Sie von den Selbstmorden des Unternehmers Jason Favieros, des Abgeordneten Loukas Stefanakos und des Journalisten Apostolos Vakirtsis gehört?«
»Hab ich mitgekriegt, und das hat mir die gute Laune keineswegs verdorben.«
»Alle drei waren bei der Militärpolizei inhaftiert, während Sie dort waren.«
»Keine Ahnung mehr. Da wurde eine Menge Leute durchgeschleust, wie sollte ich da alle im Gedächtnis behalten.«
»An die werden Sie sich schon erinnern, weil sie als Zeugen der Anklage bei Ihrem Prozeß ausgesagt haben.«
Es überrascht ihn, daß ich davon weiß, und um seine Irritation zu verbergen, geht er zum Angriff über. »Na und? Wissen Sie, wie viele Leute ausgesagt haben, um mir zehn Jährchen meines Lebens zu stehlen? Warum,
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