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Live!

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Titel: Live! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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erhöhe und die Gewinnspanne minimiere. Ich lausche geduldig und ohne innerliches Murren. Mein Vater war zwar Unteroffizier bei der Gendarmerie, aber seine beiden Brüder besaßen je ein kleines Stück Ackerland, das sie das ganze Jahr über mühsam bestellten. Daher kann ich Prodromos’ Sorgen nachvollziehen.
    Ich hätte weitaus weniger Verständnis für ihn gezeigt, hätte ich gewußt, daß Ousounidis senior gleich nach dem Ende seiner Darstellung meinen Gegenbericht einfordern würde. Mit einem »Und was machen Sie beruflich?« gibt er den Anstoß dazu.
    Am liebsten würde ich ihm sagen, daß ich Leichen fleddere, in der letzten Zeit sogar die von Selbstmördern. Aber ich fürchte, das wäre zuviel des Guten. Ich versuche, so vage wie möglich zu bleiben. Herr Ousounidis hat offenbar unzählige Male die Polizeimeldungen in den Nachrichtensendungen verfolgt und wünscht sich anscheinend nichts sehnlicher, als einen Blick hinter die Kulissen zu werfen. Und ich soll ihm jetzt Schritt für Schritt die Arbeit der Spurensicherung erläutern, was genau passiert, wenn die Funkstreife einen Anruf erhält, bis hin zu dem Augenblick, wenn die Plastiktütchen mit den Funden vom Tatort geöffnet werden.
    Ich tue ihm den Gefallen und gebe ausführlich auf jede seiner Fragen Auskunft. Fanis will schon einschreiten und seinen Vater zurückpfeifen, als er sieht, daß ich auf alles ausführlich antworte, mit einer Bereitwilligkeit, die Gikas vor Neid erblassen ließe. Da kommt ihm der Verdacht, daß ich möglicherweise selbst Spaß daran finde. Daher hält er sich zurück.
    In Wirklichkeit fällt mir das alles ziemlich schwer, und ich bin froh, als Adriani mit einer Platte gefüllter Tomaten und Paprika und hinterdrein Sevasti mit den »Rindsrouladen Gärtnerinnen Art« hereinschreiten. Wir nehmen alle um den Tisch Platz, die Lobeshymnen auf das Essen werden angestimmt, Adriani blickt stolz in die Runde, und die Polizeiarbeit tritt in den Hintergrund.
    Der übrige Abend plätschert bis elf Uhr mit harmlosem Geplauder dahin. Bevor Fanis’ Eltern aufbrechen, nehmen sie uns das Versprechen eines baldigen Gegenbesuchs in Veria ab.
    »Es wird Ihnen bestimmt gefallen«, meint Frau Sevasti herzlich. »Veria ist eine ruhige Stadt mit guter Luft. Wenn Sie zu Katerina nach Thessaloniki fahren, liegt Veria doch auf der Strecke.«
    Adriani ist sofort einverstanden. Sie werden sowieso nur die halbe Familie beherbergen, Adriani nämlich, da ich in all den Jahren vielleicht zweimal in Thessaloniki war, aber das behalte ich für mich.
    Sobald die Haustür ins Schloß fällt, umarmt mich Katerina und küßt mich auf beide Wangen. »Vielen Dank, du bist ein Pfundskerl«, meint sie begeistert.
    »Na komm, du hast ein vollkommen falsches Bild von mir! Dein Großvater war doch auch aus einer Bauernfamilie.«
    »Dafür war der Kuß nicht, sondern für die Geduld, mit der du auf alle Fragen über die Polizeiarbeit geantwortet hast. Ich weiß, wie verhaßt dir das ist.«
    »Das hab ich für Fanis getan«, sage ich spontan.
    »Ich weiß. Und er weiß es auch. Deshalb mögt ihr euch so.«
    Als Katerina neu mit Fanis zusammen war, zitterte ich vor Angst, sie könnte ihre Doktorarbeit abbrechen und Hals über Kopf heiraten. Da ich nunmehr überzeugt bin, daß sie ihre Dissertation fertigstellen wird, erhalten die Hochzeitsglocken auch für mich noch einen süßen Klang.

51
    D as Klingeln des Telefons erreicht mein Ohr am Montagmorgen im Badezimmer, als ich beim Rasieren bin. Der Sonntag ist mit süßem Nichtstun gemütlich verstrichen, wie immer nach festlichen Zusammenkünften: Adriani entspannte sich, weil ihr Essen alle zum Schwärmen gebracht hatte und sie mit Recht zufrieden sein konnte. Katerina entspannte sich, weil ihr ein Stein vom Herzen gefallen war. Und ich entspannte mich, weil ich nicht an die Selbstmorde gedacht hatte und so gut aufgelegt und umgänglich gewesen war, daß sich Fanis’ Eltern fragen mußten, ob sie nicht den Bullen bislang unrecht getan haben. Denn die waren gar nicht so sauertöpfisch und bärbeißig, wie sie immer annahmen.
    Aus dem Flur höre ich Adrianis Stimme: »Vlassopoulos ist dran!«
    Ich trockne meine Wangen und eile zum Apparat. Die panische Angst vor einem neuerlichen Selbstmord muß mir ins Gesicht geschrieben stehen. Glücklicherweise klingt Vlassopoulos’ Stimme nicht bedrückt, was mich beruhigt.
    »Ich hab ihn aufgetrieben!« ruft er.
    »Wen?«
    »Den Hersteller der T-Shirts. Wissen Sie, wer es ist?«
    Ich

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