Live!
geschrieben.«
»Beneidenswert. Sehen Sie zu, daß Sie es genießen.«
»Ist er drin? Kann ich ihn kurz begrüßen?«
»Na klar, ich brauche Sie nicht anzumelden. Sie werden ihn in keiner besonders wichtigen Unterredung stören.«
Erst als ich in Gikas’ Büro trete, wird mir klar, daß sie das nicht nur so dahingesagt hat. Gikas sitzt an seinem geschwungenen Schreibtisch, der drei Meter lang ist und an eine Pferderennbahn erinnert. Ihm gegenüber, an meinem gewohnten Platz, sitzt nun Janoutsos. Er ist fünfundvierzig und ziemlich groß gewachsen, wirkt aber dürr und blutleer. Er trägt stets Uniform, da er in Zivil eher an einen Handelsvertreter für Schneiderzubehör erinnern würde. Recht geschieht mir, ich hätte zuerst beim Büro meiner Assistenten vorbeischauen sollen, um herauszufinden, wo er sich gerade herumtreibt.
»Na, so was«, sagt Gikas, als er mich erblickt. »Was führt Sie hierher?«
»Ich wollte kurz vorbeischauen, um guten Tag zu sagen.«
»Dann muß es Ihnen ja schon wieder gutgehen, wenn Sie Sehnsucht nach uns verspüren. Nehmen Sie Platz.«
Janoutsos hält es nicht für nötig, mich zu begrüßen, er blickt mich nur unangenehm berührt und zugleich alarmiert an. Ein alter Bibelspruch kommt mir in abgewandelter Form in den Sinn, während ich meinen Blick ausschließlich auf Gikas hefte: Wer Ignoranz sät, wird Ignoranz ernten.
»Wie geht es Ihnen?« fragt er mich.
»Mir ist langweilig«, lautet die ehrliche Antwort, die Gikas mit einem Lächeln quittiert.
»Hast du noch nicht Birimba spielen gelernt?« witzelt Janoutsos.
»Ich lese Zeitungen, gehe spazieren, schaue fern … Was soll ich sonst tun?« Meine Antwort gilt Gikas, Janoutsos habe ich abgeschrieben. »Und hier? Was gibt’s bei Ihnen Neues?«
»Das Übliche, reine Routine.«
»Favieros’ Selbstmord ist doch nicht ganz alltäglich«, werfe ich scheinbar unschuldig in die Runde, um zu sehen, wie Gikas darauf reagiert. Aber er fährt in unverändertem Tonfall fort: »Der neue Quotenhit der Fernsehsender.«
»Und diese Vereinigung, die behauptet, sie hätte ihn zum Selbstmord gedrängt?«
»Also«, mischt sich Janoutsos ein, »wenn wir solches Gewäsch ernstgenommen hätten, solange ich bei der Terrorfahndung war, wären wir nicht mehr hinterhergekommen.«
Solange du bei der Terrorfahndung warst, habt ihr Birimba gespielt, würde ich ihm gerne ins Gesicht sagen, doch ich schlucke es hinunter, um Gikas nicht zu vergraulen.
»Ein unbekannter Anrufer hat heute einer Tageszeitung erklärt, das Bekennerschreiben stamme gar nicht von der Gruppierung Philipp von Makedonien , sondern sei reine Propaganda«, sagt Gikas ernst.
»Trotzdem stimmt hier irgend etwas nicht.«
»Was meinen Sie?«
»Der öffentliche Aspekt. Warum bringt sich Favieros vor laufender Kamera um?«
Gikas hebt die Schultern. »Wonach suchen Sie? Nach logischem Vorgehen bei jemandem, der sich entschlossen hat, seinem Leben ein Ende zu setzen?«
»Leute wie Favieros meiden jedes Aufsehen«, beharre ich. »Sie verhalten sich sehr diskret. Deshalb bin ich so verwundert.«
»Hör mal, Charitos«, fährt Janoutsos wieder dazwischen. »War ja schön, daß du uns besucht hast und es dir gutgeht, aber du hast den Herrn Kriminaldirektor und mich in einer äußerst wichtigen dienstlichen Besprechung unterbrochen.«
Kaum habe ich mich von seiner kaltschnäuzigen Dreistigkeit erholt, sehe ich, wie Gikas sich erhebt, als hätte er nur auf das Signal gewartet, und mir die Hand entgegenstreckt. »Freut mich sehr, daß Sie wieder gesund sind, Kostas«, meint er. »Kommen Sie ruhig wieder vorbei.«
Sie schicken mich hinaus, sage ich zu mir. Sie haben es eilig, mich loszuwerden. Ich drücke Gikas’ Hand, wende mich um und gehe ohne ein Wort hinaus.
»Wie schätzen Sie Janoutsos ein?« frage ich Koula, um etwas Dampf abzulassen.
»Er ist ungehobelt und übernimmt für nichts die Verantwortung«, ist die prompte Antwort. »Nicht genug damit, daß er wütet wie die Axt im Walde, er versucht auch seine Fehler – und die passieren ihm haufenweise – auf mich abzuwälzen.«
»Geduld, Koula. Die zwei Monate gehen auch noch rum.«
»Ihr Wort in Gottes Ohr!« kommentiert sie lachend.
Trotz Koulas Bemerkung ist mein Zorn noch nicht verraucht. Ich stehe in der Dimitsanas-Straße vor der Krebsklinik ›Zum heiligen Savvas‹ und warte auf ein Taxi. Doch um in Athen um zwei Uhr mittags ein Taxi zu finden, muß man eine Spezialausbildung hinter sich gebracht haben. Mir mit
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