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Live!

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Titel: Live! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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der Zeitungen.
    Der einzige Weg, etwas darüber hinaus zu erfahren, führt über die Tageszeitungen. Ich beschließe, einen Ausflug zum Kiosk zu unternehmen. Als ich an der Küche vorbeikomme, sehe ich, wie Adriani Tomaten und Paprika füllt.
    »Mir steigt der Duft schon in die Nase, bevor du sie in den Ofen schiebst«, lache ich.
    »Na schön, aber ich sage dir: Sie werden nicht so lecker wie sonst schmecken, weil ich sehr wenig Zwiebeln genommen habe. Ich möchte dann nicht hören, daß sie mißlungen sind.«
    Sie hat einen Komplex mit den gefüllten Tomaten. Seit damals, als sie gegen meine Mutter in den Ring stieg, zittert sie vor einem mißratenen Essen.
    »Für einen ersten Anlauf nach meiner Krankheit wird’s schon reichen«, ermuntere ich sie.
    Wenn mich jemand fragte, warum ich, statt den Weg rechts in die Aroni-Straße zum Kiosk einzuschlagen, links abbog und über die Nikiforidis- zur Formionos-Straße ging, könnte ich keine Antwort geben. Auch weiß ich nicht, was ich vorhatte, als ich ein Taxi anhielt und dem Fahrer »Alexandras-Boulevard, zum Polizeipräsidium« sagte.
    Doch sobald ich aus dem Taxi steige und an der Fußgängerampel vor der Krebsklinik ›Zum heiligen Savvas‹ die Straße überquere, nehmen meine gesunden Reflexe ihre Funktion wieder auf. Ich beschließe, keinen Halt in der dritten Etage einzulegen. Ich habe keine Lust, die Tür zu meinem Büro aufzustoßen und Janoutsos zu sehen, wie er auf meinen Stuhl gefläzt in den Trikkala-Boten vertieft ist. Seit dreißig Jahren lebt er in Athen und noch immer liest er ausschließlich das Lokalblatt seines Heimatortes.
    Der Wachmann am Eingang will mich schon auffordern, mich auszuweisen, doch da ihm mein Gesicht bekannt vorkommt, zögert er.
    »Kommissar Charitos, ich will zum Kriminaldirektor«, sage ich, um ihm aus der Verlegenheit zu helfen. Er will schon von seinem Platz aufstehen, doch ich halte ihn zurück. »Ich bin krankgeschrieben, da können wir uns die Formalitäten sparen.«
    Der Fahrstuhl hat seine Mätzchen beibehalten, und ich warte zehn Minuten, bis er mir die Ehre erweist, mich aufzunehmen. Als ich hochfahre, hoffe ich inständig, nicht auf meine beiden Assistenten, Vlassopoulos und Dermitsakis, zu treffen und noch weniger auf Janoutsos. Glücklicherweise fährt der Fahrstuhl ohne weiteren Halt hoch und spuckt mich in der fünften Etage aus.
    Ich hätte gerne einen Fotoapparat dabei, um den Ausdruck festzuhalten, den mein Anblick auf Koulas Gesicht hervorrufen wird. Wie man nach langer Krankheit oder Abwesenheit begrüßt wird, zeigt einem, wie beliebt man ist. Dann kann man am Gesicht des anderen ablesen, ob man gern gesehen ist oder nicht.
    Koulas Gesicht leuchtet auf, sie ruft mit einer Stimme, die sich vor Freude überschlägt: »Herr Charitos!«
    Sie stürmt auf mich zu, fällt mir in die Arme und drückt mir einen Kuß auf beide Wangen. Koula hat immer eine besondere Sympathie für mich gehegt, obwohl ich in meiner Eigenschaft als mißtrauischer Bulle stets dachte, sie verstelle sich. Heute muß ich zugeben, daß ich ihr unrecht getan habe. So, wie sie mich ansieht – blond, hübsch und mit einem strahlenden Lächeln –, sage ich mir, ich hätte ruhig früher mal vorbeischauen können. Mit Sicherheit hätte sie mit ihren Küßchen mein darniederliegendes Ego aufrichten können.
    »Sie wissen gar nicht, wie sehr ich mich freue, Sie zu sehen«, meint sie fröhlich. »Sie ahnen gar nicht, wie sehr ich Sie vermißt habe.«
    »Ja, aber im Krankenhaus haben Sie mich nicht besucht«, entgegne ich wie ein frisch Verliebter, der sich über die mangelnde Fürsorge seiner Flamme beklagt.
    »Sie haben recht.« Verlegen ringt sie nach den passenden Worten. »Aber wissen Sie, na ja … So gut kennen wir uns nicht, und da ist es mir schwergefallen, einfach so vor Ihrer Frau … vor Ihrer Tochter aufzutauchen … Das hätte man hier schnell herausgekriegt und zu tratschen begonnen …«
    »Was reden Sie denn da, Koula? Wer sollte tratschen?«
    »Es gibt genügend böse Zungen hier …«
    »Was sollten sie denn reden?«
    Sie schüttelt nachdenklich den Kopf. »Ach, Herr Charitos. Sie sind ein Unschuldslamm. Sie sind nicht von dieser Welt.«
    Ich weiß nicht, ob ich mich darüber freuen oder ärgern soll, daß ich so blöd bin.
    »Jedenfalls sehen Sie prächtig aus«, sagt sie, um das Thema zu wechseln. »Wieder bei Kräften, energisch, gut erholt … Wann kommen Sie wieder?«
    »Ich bin noch zwei Monate krank

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