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Live!

Live!

Titel: Live! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petros Markaris
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meinem einfachen Schulabschluß schnappt man die Taxis vor der Nase weg, bevor ich auch nur dazu komme, mit dem Fahrer zwei Worte zu wechseln. Als ich nach vielen Mühen endlich ein Taxi ergattere, bin ich auf hundertachtzig. Ich nehme auf dem Beifahrersitz Platz und stelle fest, daß ich zu allem Unglück auch noch den Inbegriff eines Taxifahrers erwischt habe, denn sein Autoradio dröhnt auf voller Lautstärke. Als an der Ecke Michalakopoulou- und Spyrou-Merkouri-Straße der Song »Uns beiden geht’s zu gut, und das raubt mir den Mut« erschallt, fahre ich aus der Haut.
    »Dreh den Kasten endlich ab und hupe, damit man uns Platz macht!« sage ich zum Fahrer.
    Er wendet sich mir zu und blickt mich mit einem herablassenden Taxifahrer-Blick an. »Wieso, ist das hier ein ärztlicher Notfall? Sieht mir nicht danach aus.«
    Ich halte ihm meinen Dienstausweis unter die Nase. »Ich bin Polizist und dienstlich unterwegs. Und das Radio behindert den Sprechfunk. Schalt es ab und hupe endlich, sonst übergebe ich dich dem erstbesten Verkehrspolizisten, und dann siehst du deinen Führerschein erst in sechs Monaten wieder.«
    Er gehorcht ohne Widerrede. Zwei Minuten später sind wir im Kamikaze-Stil an der Ecke zur Aristokleous-Straße angelangt. Ich frage, was ich schuldig bin.
    »Laß mal gut sein, Herr Kommissar. Sag mir lieber, wie du heißt«, sagt er, als wolle er mich zum Eis einladen. »Man kann nie wissen, wozu man gute Bekannte braucht.«
    Ich werfe ihm drei Euro auf den Sitz und schlage die Tür hinter mir zu.
    »Mann, wo warst du denn so lange?« fragt Adriani und mustert mich besorgt.
    »Auf dem Omonia-Platz. Ich habe die fliegenden Händler vermißt.«
    Sie bemerkt meinen Gesichtsausdruck und begreift, daß sie besser nicht weiterbohrt. »Komm essen«, meint sie.
    Sobald ich den ersten Bissen der gefüllten Tomaten im Mund habe, entspanne ich mich, und mein Zorn löst sich wie durch ein Wunder in Luft auf.
    »Du hast goldene Hände, Adriani. Damit hast du mir heute wirklich was Gutes getan«, sage ich begeistert.
    »Komm schon, jetzt schwindle nicht. Wie gesagt, es fehlt ihnen die richtige Dosis Zwiebeln.«
    Ich nehme einen zweiten Bissen von den gefüllten Tomaten und behalte ihn lange im Mund, um meinen Gaumen mit dem Wohlgeschmack zu erfreuen. Heutzutage, wo so vielen Dingen das richtige Maß fehlt, werden wir doch nicht an den Zwiebeln verzweifeln!

7
    I ch sitze in einer Luxuskabine. Und zwar nicht auf einer jener Fähren, welche die südliche Ägäis durchpflügen, sondern im Dienstzimmer des Stationsarztes der kardiologischen Abteilung des Allgemeinen Staatlichen Krankenhauses, das in etwa die Ausmaße und die Ausstattung einer solchen Luxuskabine hat. Ich warte auf die Ergebnisse der Bluttests und darauf, daß Adriani die Formalitäten erledigt, so daß mich der Chirurg untersuchen kann. Das habe ich nun davon, daß ich den Untersuchungen zugestimmt habe: Ich sitze in meiner Rolle als Schwerkranker in einer Luxuskabine, und Adriani läuft sich die Hacken ab. Mir fehlt nichts, ich weiß es, die Ärzte und selbst die Krankenschwestern wissen es. Schon vor Wochen hat man mir die Fäden gezogen, die Wunde ist vollkommen verheilt, und nur bei Wetterumschwüngen verspüre ich ein leichtes Ziehen. Doch Adriani beharrt auf den Untersuchungen, in der Hoffnung, die Ärzte würden irgendein kleines Einschußloch finden, das sie ursprünglich übersehen haben, damit sie ihre Herrschaft über mich noch etwas hinauszögern kann.
    Sie steckt die Nase durch den Türspalt. »Wir sind soweit, Kostas. Es geht los.«
    Das Dienstzimmer des Stationsarztes liegt in der dritten Etage, die Ambulanz jedoch im Erdgeschoß des gegenüberliegenden Gebäudes. Adriani ruft den Fahrstuhl.
    »Laß mal, das kann Stunden dauern«, sage ich und beginne, die Treppe hinunterzugehen, um ihr zu zeigen, daß ich bei bester Gesundheit bin und sie sich keine falschen Hoffnungen zu machen braucht.
    Das Wetter ist feucht und drückend. Ich bin seit einigen Tagen zur Kleiderordnung von Anzug und Krawatte zurückgekehrt, doch bis zur Ambulanz klebt die Kleidung an mir. Mal ist das Pißwetter dran schuld, mal die Hitze.
    Vor dem Eingang zur Abteilung für Chirurgie erwartet uns Fanis, und wir schreiten unter den scheelen Blicken des gesetzlich versicherten Fußvolks zur Untersuchung. Das tritt nämlich um sechs Uhr morgens an, um sich eine Wartenummer zu holen, und kommt gegen zwei Uhr mittags an die Reihe.
    »Wie läuft’s, Herr Kommissar?

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