Live Fast, Play Dirty, Get Naked
immer aussah in seinem coolen weißen T-Shirt und seinen coolen weißen Jeans – als Sechstklässler musste er nämlich keine Schuluniform mehr tragen. Und dann hatte ich auch noch Söckchen an, verdammt. Diese peinlichen weißen Söckchen.
Aber am allerpeinlichsten war mir die Tatsache, dass ich überhaupt verlegen war. Ja, mein Herz flatterte und ich starrte und wand mich – ich benahm mich wie ein alberner kleiner Teenie und genierte mich für meine Klamotten. Das Ganze war so schrecklich armselig, ich hasste mich dafür.
Aber ich konnte es nicht ändern.
»Du spielst echt gut«, sagte Curtis.
»Danke«, murmelte ich.
Er stand jetzt vor mir. Nicht zu nah, aber nah genug, dass ich genau mitbekam, wie wahnsinnig toll er aussah. Er hatte immer schon richtig gut ausgesehen, sogar in diesem komischen Stadium mit dreizehn, vierzehn, doch jetzt, mit siebzehn, war er zu einem schlanken, tough wirkenden jungen Mann geworden mit einem Gesicht, das fast schon zu perfekt war, um wahr zu sein. Es schien sich verwandeln zu können – es zeigte dir immer genau das, was du in ihm sehen wolltest. Wenn du also Curtis ansahst und glaubtest, du hättest den schönsten Jungen der Welt vor dir, dann sahst du genau das. Aber manchmal konntest du auch ein Gesicht voller Trauer, herzzerreißender Leere oder sogar Grausamkeit entdecken …
Doch an dem Tag standen keine Trauer und keine Grausamkeit in seinem Gesicht, sondern nur ein umwerfendes Lächeln, eine schimmernde Schönheit und diese hypnotisierenden strahlend blauen Augen.
»Alles in Ordnung mit dir?«, fragte er.
»Ja, Entschuldigung …«, murmelte ich. »Ich war nur …«
Ich starrte ihn immer weiter an, sonst nichts. Er hatte jetzt eine Schachtel Zigaretten aus seiner Hosentasche gezogen und wollte sich eine anzünden.
»Hältst du das für eine gute Idee?«, fragte ich. »Mr Pope kann jeden Moment reinkommen.«
Curtis lachte. »Der gute alte Johnny hat bestimmt nichts dagegen«, antwortete er und zündete die Zigarette an. »Der schnorrt doch ständig Fluppen von mir. Ich hab sogar schon öfter einen Joint mit ihm geraucht.«
»Ehrlich?«
»Ja klar … Johnny ist tief drinnen so eine Art Hippie.« Er nahm einen kräftigen Zug von der Zigarette und schnippte die Asche auf den Boden. »Aber egal«, fuhr er fort, »spielst du auch noch was anderes?«
Ich sah ihn an, nicht sicher, was er meinte.
»Abgesehen von Klavier«, erklärte er. »Spielst du noch andere Instrumente?«
»Ach so«, sagte ich. »Nein, nicht wirklich … ich meine, na ja, ich spiel ein bisschen Gitarre.«
»Ja?«
Ich schüttelte den Kopf, weil mir klar wurde, dass ich mit jemandem sprach, der – wie es hieß – ein absolutes Genie auf der Gitarre war. »Aber nicht gut «, murmelte ich. »Bloß so ein paar Akkorde, sonst nichts …«
Er lächelte. »Welchen magst du am liebsten?«
»Was?«
»Welcher Akkord gefällt dir am besten?«
»G-Dur«, sagte ich, ohne nachzudenken.
Er nickte. »Ja, G-Dur ist toll. Hat so was von Größe, nicht? So eine Weite und Offenheit.«
Ich lächelte, weil ich genau wusste, was er meinte. »Und welcher gefällt dir am besten?«, fragte ich.
Er sah mich an. »Rat mal.«
Ich schwieg einen Moment, überlegte ein bisschen, aber das musste ich eigentlich gar nicht. Die Antwort kam instinktiv: »E-Dur«, sagte ich.
Sein Lächeln sagte mir, dass ich recht hatte.
»Kannst du Bass spielen?«, fragte er.
»Kontrabass?«
»Nein, E-Bass, du weißt schon …« Er tat so, als ob er eine Bassgitarre spielte. »So einen.«
»Keine Ahnung«, sagte ich. »Hab ich noch nie versucht.«
»Hast du Lust, es mal ausprobieren?«
»Wie meinst du das?«
»Ich such einen Bassgitarristen«, erklärte er. »Für meine Band.«
»Du spielst in einer Band?«
Er nickte. »Wir sind noch nicht aufgetreten, aber wir haben ein Jahr lang immer wieder zusammen geprobt und so langsam werden wir richtig gut. Das Problem ist nur, Kenny – das ist unser Bassist – na ja, der hat plötzlich beschlossen, dass er nicht mehr Bass spielen will, sondern Rhythmusgitarre.« Curtis nahm einen tiefen Zug von der Zigarette. »Also, um ehrlich zu sein, Kenny ist sowieso ziemlich scheiße am Bass, deshalb tut er uns eigentlich einen Gefallen, wenn er aufhört. Aber jetzt müssen wir jemand anderen suchen …« Er sah mich an. »Auf was für Musik stehst du? Abgesehen von Debussy.«
Das war eine heikle Frage. Oder besser gesagt, es wäre eine heikle Frage gewesen, wenn ich versucht hätte zu
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