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Titel: Live Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ein Thriller
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wollte nur noch schlafen. Wollte zurück ins Grau, dort wo seine Frau auf ihn wartete. Wo sie seit zehn Jahre auf ihn wartetet.
     
    „Was ist mit dem Jungen? Mit Josh?“
     
    „Ihm geht‘s gut.“
     
    „Kann ich…kann ich mit ihm sprechen?“
     
    Julie zuckte mit ihren Schultern. Wandte sich ab und sah in eine Richtung, in der Charlie nichts wahrnehmen konnte. Er schaffte es nicht, seinen Kopf so weit hochzuheben, daß er etwas hätte sehen können.
     
    „Josh“, flüsterte sie. „Komm bitte.“
     
    „Nein“, war die ebenfalls geflüsterte Antwort. „Warum hast du mir nicht geholfen, Julie? Ich habe dir vertraut und du hast nicht einmal etwas gesagt, als dieser Scheißer mich umbringen wollte. Du hast einfach nur da gestanden und hast nichts getan. Ich habe geglaubt, wir wären Freunde. Freunde sind füreinander da, Julie. Immer füreinander da, egal, was passiert. Ich dachte, Du wärst mein Freund, Julie. Ich dachte wirklich, du wärst mein Freund.“
     
    „Ich bin dein Freund, Josh.“
     
    „Warum hast du mir nicht geholfen?“
     
    Die Krankenschwester war in sich zusammengefallen. Ihr Gesicht lag zum großen Teil in den Schatten, aber ihre Haltung verriet genug. Sie schämte sich. Sie wußte nicht, was sie dem Jungen antworten sollte.
     
    „Die Wahrheit, Julie“, flüsterte Charlie. „Er hat sie verdient. Er wird es verstehen.“
     
    „Wird er?“
     
    Charlie wollte eigentlich nichts anderes tun, als die so robust wirkende Frau in seine Arme zu nehmen und sie zu trösten, ihr zu sagen, daß es doch alles nicht so schlimm war, daß das Leben irgendwie weiter gehen würde.
     
    Sie verlor augenscheinlich einen großen Teil ihrer Masse, schien vor seinen Augen zusammenzuschrumpfen, bis sie nur noch einen kleinen Bruchteil der alten Julie Winters ausmachte, die wie ein gutmütige Gottheit für ihn sorgte.
     
    Die Frau in den Schatten war ein Mensch, ein zerbrechlicher Mensch, der in dieser Nacht weit über die Grenze gestoßen war, die ein normaler Mensch aushalten konnte.
     
    Sie war klein und wirkte alt und verloren.
     
    „Josh“, meinte sie leise, „bitte…“
     
    „Warum hast du mir nicht geholfen?“
     
    „Ich hatte Angst.“
     
    Die Wahrheit. Julie weinte immer noch.
     
    „Ich hatte Angst“, fuhr sie fort, „daß Turow mich auch erschießen würde und es tut mir leid, aber ich konnte nur an meine Tochter denken und ich weiß, ich hätte etwas tun müssen, aber ich konnte nur an sie denken, sie hat doch niemanden mehr außer mir, und ich war zu feige und es tut mir leid, Josh, aber ich konnte es nicht tun und…“
     
    Der Rest versickerte in einem leisen Schluchzen. Der robuste Körper der Frau wurde von Krämpfen geschüttelt.
     
    Der Junge stand auf. Charlie sah es nicht, nicht wirklich, bemerkte nur, daß die Schatten an seiner Seite in Bewegung gerieten, bemerkte die Bewegung instinktiv, mit dem Sinn, den nur Cops hatten, die schon Jahre auf den Straßen waren.
     
    Der Junge ging herüber zu Julie und nahm sie in die Arme. Auch er weinte. Das war zu hören. Das Schluchzen hatte zwei verschiedene Tonlagen, sanftes Wispern, das wie das Rascheln von alten Blättern klang.
     
    „Ich dachte, ich müßte sterben, Julie. Ich dachte wirklich, ich müßte sterben“, sagte Josh Dannerman, schlang die Arme so eng um den Hals der Krankenschwester, als wäre sie ein Rettungsanker, an dem er sich festhalten könnte. Als hätte er nur die Wahrheit gebraucht, um ihr wieder zu vertrauen.
     
    „Es war nie so schlimm“, fuhr er fort, „nie mit meinem Vater. Ich wußte, daß er mich krankenhausreif schlagen würde. Aber ich habe nie geglaubt, niemals wirklich erwartet…ich glaube ich habe mir in die Hosen gemacht…“
     
    „Sssshhh“, antwortete Julie. „Wir werden hier rauskommen.“
     
    „Ich glaube nicht.“
     
    Josh schluckte.
     
    „Ich glaube nicht, daß wir hier rauskommen, Julie, er wird uns alle umbringen, nicht wahr? Er wird uns alle umbringen, weil er wahnsinnig ist und weil es ihn einen Scheißdreck interessiert, ob er selber dabei stirbt oder nicht.“
     
    Charlie räusperte sich. Die beiden lösten sich voneinander.
     
    „Wenn du aufgibst, Kleiner“, meinte er mit einem schwachen Grinsen, in das er soviel vom alten Charlie Foster legte, wie er unter diesen Umständen zustande bekam.
     
    Es war der Charlie Foster, der seine Frau geküßt hatte, wenn er von seiner Schicht nach Hause kam.
     
     Der Charlie Foster, der seinen Sohn ins Bett trug und

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